Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Risikoluege

Die Risikoluege

Titel: Die Risikoluege
Autoren: Klaus Heilmann
Vom Netzwerk:
Forschung und Entwicklung, Umsatzsteigerung und Gewinnmaximierung, sondern auch etwas vom Wesen der Gesellschaft verstehen, und von der Kunst, mit ihr zu kommunizieren.
    Braucht der Staat ein neues Verhältnis zum Bürger?
    Das heutige Unbehagen der Menschen an den Entwicklungen in Wirtschaft und Technik hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass sie das Gefühl haben, den Lauf der Dinge in gar keiner Weise ändern zu können. Und diejenigen, die gerne in ihnen fragwürdig erscheinende Entwicklungen eingreifen würden, wissen nicht, wie. Denn im Allgemeinen wissen wir wenig über die vielfältigen Verknüpfungen von Wissenschaft und Technik mit Wirtschaft und Politik, wenig also darüber, wie eine technische Zivilisation funktioniert.
    Gleichzeitig begehen Staat und Politik den Fehler, uns, die Öffentlichkeit, nicht genug ernst zu nehmen und sie zu unterschätzen. Die Leute sind sensibler, hellhöriger und
mutiger, als man glaubt. Aber man darf natürlich nicht erwarten, dass sie schon dann etwas verstehen, wenn man sie nur einfach über notwendige Veränderungen oder Richtungswechsel informiert, denn es stehen einander nicht nur unterschiedliches Wissen, sondern auch verschiedene Grundeinstellungen gegenüber.
    Immer deutlicher aber wird unser Verlangen nach rückhaltloser und verständlicher Information. Dem zu entsprechen ist nicht nur wichtig, sondern auch klug, denn wo gar nicht, falsch oder unverständlich informiert wird, entstehen verzerrte Vorstellungen über das jeweils Machbare. Der Staat hat in Sicherheits- und Zukunftsfragen nicht nur abzuwägen und zu entscheiden, sondern auch die Pflicht, die Menschen vernünftig über das Für und Wider einer Sache aufzuklären und sie in wichtige Entscheidungsprozesse mit einzubinden. Beim Hauruck-Ausstieg aus der Kernenergie war das jedenfalls nicht der Fall.
    Dies gilt vor allem dann, wenn über die Einführung neuer Technologien oder über die Risikominimierung erkannter Gefahren zu entscheiden ist. Gleichgültig, ob es sich um die Stilllegung eines Kernkraftwerks, den Bau einer Startbahn oder eines Kanals, um Entsorgungsfragen, das Verbot fraglich krebsauslösender Chemikalien oder die Einführung gentechnologischer Produkte handelt, immer sollte auch das Risikoempfinden der Bürger und ihr Informationsbedürfnis Berücksichtigung finden.
    Es gibt eine Reihe von kritischen Punkten, in denen intakte Kommunikation die Voraussetzung für die gesellschaftliche Akzeptanz von Neuerungen und Veränderungen ist. Hierzu gehören die Fragen der inhärenten Risiken von Großtechniken, der Energiegewinnung, der Nutzung von Chemie und Gentechnik, sowie der von Menschen gemachten
Umweltbelastungen und Klimaänderungen. Die Annahme des Neuen durch die Gesellschaft setzt aber voraus, dass sie für das Neue auch Verständnis hat. Verständnis kommt von Verstehen, und Verstehen entsteht durch Verständigung.
    Von Konrad Lorenz stammt das Wort: »Gedacht ist noch nicht gesagt, gesagt noch nicht gehört, gehört noch nicht verstanden, verstanden noch nicht einverstanden, einverstanden noch nicht angewendet und angewendet noch nicht beibehalten.«
    Das Ziel für den Staat muss es demnach sein, in einer Angelegenheit, für die eine bejahende Mehrheit der Gesellschaft benötigt wird, Schritt für Schritt das nächst höhere Ziel der Verständigung zu erreichen. Kein Schritt kann durch reine Information erfolgreich getan werden, es bedarf dazu der ständigen Kommunikation, des Einanderzuhörens und des Miteinandersprechens.
    Ist unser Risikoverhalten irrational?
    Es wird immer wieder gesagt, dass das Risikoempfinden von uns Deutschen irrational sei, irrationaler wenigstens als das von Menschen anderer Nationen. Ob irrationaler, bin ich mir nicht sicher, jedenfalls ist es anders. Denn so wie das Empfinden für Risiken etwas Persönliches ist, so ist auch das nationale Risikobewusstsein für ein Volk charakteristisch. Zum einen beruht es auf seiner Geschichte – vor allem seiner Technikgeschichte -, zum anderen auf dem erreichten nationalen Lebensstandard. Je mehr man zu verlieren hat, umso sensibler wird man dafür, das Erreichte wieder zu verlieren.

    Die Briten, auf deren Inseln das Industriezeitalter gewissermaßen begann, haben eine andere, pragmatischere Einstellung zum Risiko als wir. Auch in Nordamerika, dem Land der Einwanderer, in das Menschen kamen, die nichts zu verlieren aber alles zu gewinnen hatten, ist das Risikoverhalten anders. Diese Menschen wussten, dass sie ohne
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher