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Die Risikoluege

Die Risikoluege

Titel: Die Risikoluege
Autoren: Klaus Heilmann
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(CDU) erinnerte sich in einem Beitrag für die ARD, er habe die von ihm nicht gewünschte Laufzeitverlängerung als »eine Erfahrung von Lobbyismus und wirtschaftlicher Interessensvertretung« erlebt. Die Interessen hinter der Verlängerung seien »sehr deutlich, sehr massiv und sehr finanzstark« gewesen.
    Aber gehen wir in der Erinnerung ins Jahr 1980 zurück. Nachdem Pläne zur Errichtung einer Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in Niedersachsen gescheitert waren, erklärte Ministerpräsident Franz Josef Strauß die Bereitschaft der bayerischen Landesregierung, im Freistaat einen geeigneten Standort zur Verfügung zu stellen: Wackersdorf. Beinahe zehn Jahre lang wurde dann wider besseres Wissen der Verantwortlichen in Politik und Energiewirtschaft sowie gegen Bedenken von allen Seiten die dortige Wiederaufarbeitungsanlage buchstäblich durchgeprügelt. Und dann, ganz plötzlich, wurde sie als »durch die Ereignisse überholt« wieder fallen gelassen. Da haben Bundesregierung und bayerische Staatsregierung aus »nationalem Sicherheitsinteresse« die Sorgen einer ganzen Region ignoriert, den außenpolitischen Konflikt mit der Republik Österreich in Kauf genommen, Verletzte, über 4000 Festnahmen und sogar Tote hingenommen, haben Mauern errichtet, Stacheldrahtbarrieren gelegt und Sicherheitsgesetze geändert, und dann, buchstäblich über Nacht, waren alle Argumente hierfür überholt, war auch ohne die bayerische WAA eine bundesdeutsche Atomindustrie möglich.
    Kam schon der Abschied von Wackersdorf überraschend, so wurden kurz darauf auch solche Entsorgungsmöglichkeiten präsentiert, die zuvor nur von den Gegnern
der Kernenergie befürwortet worden waren. Ein Teil der Betreiber wollte die Wiederaufarbeitung nun gänzlich aufgeben und favorisierte als neue Entsorgungsalternative die direkte Endlagerung.
    Wenn man sich nun, und jetzt komme ich auf die Wendehalspolitik der gegenwärtigen Regierung und ihrer pragmatischen Physikerin zurück, für einen anderen Weg entschließt, weil er von ihr für sicherer gehalten wird, so ist dies eine Sache. Wenn aber ein Weg eingeschlagen wird, nur weil er sicherer für die eigene politische Zukunft erscheint, so ist das etwas ganz anderes. Und ich bezweifle, dass eine derartige »Flexibilität« in kerntechnischen Sicherheitsfragen das öffentliche Vertrauen in diejenigen fördert, die sie zu verantworten haben. Zwischen dem Beschluss einer Laufzeitverlängerung und dem endgültigen Ausstieg verging nicht einmal ein Jahr.
    Bundespräsident Christian Wulff kritisierte dann auch das Vorgehen von Union und FDP in einem Gespräch mit Die Zeit. Nach seiner Ansicht hätte der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland von den Regierungsparteien auf Parteitagen beschlossen werden sollen. Er »empfinde es als positiv, dass die Grünen einen Parteitag zur Energiewende abgehalten und dort um Positionen gerungen hätten«, sagte Wulff und fügte hinzu: »Es hätte auch denen gut angestanden, zu einer solchen fundamentalen Richtungsänderung der deutschen Politik einen Parteitag einzuberufen, die diese Veränderung jetzt vollziehen und noch vor Monaten eine andere Entscheidung – auf einem Parteitag – getroffen haben.«
    Das für mich wirklich Interessante an dieser Wendehalspolitik ist nicht, dass die Umfragen in der Bevölkerung eine hohe Zustimmung zum Ausstieg zeigen, was zu erwarten
war, denn man hat nur die Vorteile erwähnt, mögliche Nachteile – die abnehmende Versorgungssicherheit, die Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Veränderungen des gewohnten Lebensraums – aber verschwiegen. Nein, das Interessante und Positive ist, dass die Umfragewerte für die beiden Koalitionsparteien gleichermaßen schlecht geblieben sind, also nicht zugenommen haben.
    So unvernünftig, wie immer behauptet wird, reagiert die Öffentlichkeit also gar nicht. Die Menschen stimmen der Regierung in Bezug auf die Entscheidung zu, aber sie danken es ihr nicht. Jeder weiß, dass es der Regierung mit Blick auf die nächsten Wahlen nur darum gegangen war, an der Macht zu bleiben. Dazu wurden sie aber nicht gewählt. Gewählt werden in einer repräsentativen Demokratie die Volksvertreter dafür, dass sie gute Arbeit leisten, und zwar nicht für sich, sondern für uns, die Bürger.
    Die schönen Worte, mit der die Kanzlerin ihre Rede zur vorgeschlagenen Energiewende vor dem Parlament begann – »Die dramatischen Ereignisse in Japan sind ein Einschnitt für die Welt, ein Einschnitt für mich ganz
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