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Die Risikoluege

Die Risikoluege

Titel: Die Risikoluege
Autoren: Klaus Heilmann
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Nachrichten vom Tage präsentieren zu lassen, die in der Tagesschau nicht zu sehen sind. »Tagesshow« wird die Sendereihe
heißen. Nun ja, das Fernsehen kann nicht besser sein als sein Publikum.
    Alles, was von ARD und ZDF gezeigt wird, hat etwas mit Quote zu tun, selbst die Nachrichtensendungen. Wer dies bezweifelt, hat eine allzu idealistische Vorstellung von den Öffentlich-Rechtlichen. Und alles, was von den Privaten auf den Bildschirm gebracht wird, hat etwas mit Gewinnmaximierung, und damit auch wieder mit Quote zu tun. »Die Quote ist«, wie der Film- und Fernsehproduzent Günter Rohrbach sagt, »der ultimative Orientierungsfaktor, der Fetisch, die Wurzel allen Übels, je nach Betrachtungsweise.« Damit hat er leider recht.
    Nein, das Fernsehen ist kein gutes Informationsmedium.

13
Bloß keine schlafenden Hunde wecken
    Unternehmensverhalten zwischen den Katastrophen

    Kommunikation mit der Öffentlichkeit war bis zur Reaktorkatastrophe von Tschernobyl in den Unternehmen der Kernenergiewirtschaft kein großes Thema. Im Gegensatz zur Pharmaindustrie, die aber auch die Contergan-Katastrophe und verschiedene andere Arzneimittelzwischenfälle zu bewältigen hatte, und der chemischen Industrie, die DDT, Seveso und Bhopal hinter sich hatte.
    Nach Tschernobyl änderte sich dies bei den Reaktorbetreibern schlagartig und man entdeckte den Dialog mit der Gesellschaft: Die Risikokommunikation.
    Diesen heute allgemein bekannten Begriff gab es in Deutschland vor Tschernobyl noch kaum, er wurde erst danach geläufig. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), zu dessen wichtigsten Aufgaben die Risikokommunikation gehört, wurde erst 2002 gegründet, Soziologen waren es hauptsächlich, die sich dem Risikothema kommunikativ annahmen.
    Forschend und publizistisch habe ich mich – von der Medizin und Problemen der Arzneimittelsicherheit her kommend – seit 1980 mit dem Risikothema beschäftigt und auf Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen darüber
referiert. Mein erstes, zusammen mit dem amerikanischen Professor für Medizintechnik und Pharmakoepidemiologie, John Urquhart, zur Risikothematik geschriebenes Buch Keine Angst vor der Angst erschien in eine Zeit hinein, die zunehmend risikobewusst wurde.
    Nach den Katastrophen von Tschernobyl und Schweizerhalle wurde ich dann von Unternehmen und Verbänden der Kernenergie und der chemischen Industrie gefragt, sie in Kommunikationsfragen zu beraten — dies wohl auch deshalb, weil ich völlig unabhängig und weder den Technikgläubigen noch den Technikkritikern zuzuordnen war.
    Viele Manager, denen ich während meiner Tätigkeit damals begegnete, waren davon überzeugt, dass es für die Ängste der Menschen keine wirklichen Gründe gibt, dass diese vielmehr daher rührten, dass die Medien die negativen Aspekte der Entwicklungen betonen, die positiven ignorieren und Zwischenfälle dramatisieren, mit dem Ergebnis, dass die Bevölkerung irrational reagiert.
    Auch wenn die Kritik an den Medien in dieser Hinsicht damals berechtigt war und immer noch ist, so kann doch kein ernsthaft denkender und beobachtender Mensch bezweifeln, dass es nicht auch hinreichend Gründe für diese Ängste gibt. Wenn man in den Unternehmen und Verbänden auch heute noch gegenteiligen Auffassungen begegnet, so deshalb, weil vielen ihrer Manager und Funktionären der Kontakt zur Öffentlichkeit verloren gegangen ist oder weil sie glauben, es nicht nötig zu haben, sie zur Kenntnis zu nehmen.
    In den Gesprächen, die ich mit Mitarbeitern in den Unternehmen und Verbänden führte, beklagte man sich bitter darüber, wie sehr industrielles Tun »draußen« missverstanden
werde, dass man immer nur die negativen Seiten des technischen Fortschritts sehe und darüber die positiven vergesse. Und dies alles, obwohl doch vonseiten der Unternehmen und Industrieverbände große Anstrengungen unternommen würden, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Dass Kommunizieren aber etwas anderes ist als bloßes Informieren, dass auch das Zuhören und auf Fragen Antworten geben dazugehört, das verstanden nur wenige.
    Bei diesen Gesprächen, bei denen ich Sicherheitsdefizite bei technischen Abläufen vor allem auch als Kommunikationsdefizite erkannt habe, wurde mir vor Augen geführt, wie weit die Wissenschaftler in der Abgeschiedenheit ihrer Laboratorien und die Ingenieure an ihren Reißbrettern von den Realitäten entfernt sind, wie tief also der Graben zwischen Wissenschaft, Industrie und Gesellschaft ist.
    Deshalb
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