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Die Risikoluege

Die Risikoluege

Titel: Die Risikoluege
Autoren: Klaus Heilmann
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Schutz geschieht. Der bald darauf beschlossene Ausstieg aus der Kernenergie ließ die Menschen wieder glauben, dass in Deutschland für die Zukunft alles geregelt sei. Tüchtig sind wir ja, das muss man uns lassen!

    Das Motto »bloß keine schlafenden Hunde wecken« ist natürlich auch in anderen Industriezweigen anzutreffen. Für Industrie und Wirtschaft gilt deswegen wohl insgesamt, dass eine ernst gemeinte Kommunikation mit der Bevölkerung erst dann zu erwarten ist, wenn es allen wesentlich schlechter geht als heute, wo es allen so gut geht wie selten zuvor. Aber die Zeit wird zeigen, ob man den heute verpassten Gelegenheiten nicht eines Tages doch noch nachtrauern wird.
    In der Wirtschaft hat man noch immer nicht begriffen, dass es bei Akzeptanzproblemen mit Technik ganz wesentlich um einen tiefgreifenden Vertrauensschwund zu den Unternehmen geht. Dass bunte Bilderkampagnen, die immer wieder gute Botschaften vermitteln, kein Vertrauen schaffen. Dass beschwichtigende Anzeigenserien, die von Unternehmen und Verbänden nach Zwischenfällen und Pannen in den Medien geschaltet werden, ebenfalls kein Vertrauen schaffen. Und dass Akzeptanz für Technik nur in einer Atmosphäre der Glaubwürdigkeit entstehen kann. Wer permanent nur über das Gute seines Tun redet,
erzeugt Misstrauen, denn so viel Gutes tun, ohne auch Schlechtes zu bewirken, kann man gar nicht.
    Auch herrscht in Wirtschaft und Industrie immer noch die Meinung, dass man mit Geld und politischen Beziehungen Akzeptanzen durchsetzen, Zwischenfälle aus der Welt schaffen und an der Macht bleiben kann. Günter Grass fordert eine Bannmeile für die Lobby rund um den Bundestag, denn die Korruption in unserem Land sei weitverbreitet und etabliert. Ich könnte mir vorstellen, dass es nach historischem Berliner Vorbild ein stromgeladener Stacheldrahtzaun sein müsste.
    Vertrauen in neue Technologien hängt im Wesentlichen von dem Vertrauen in die Instanzen ab, die diese entwickeln und in Gang setzen. Ist dieses Vertrauen vorhanden, dann kann beim Einzelnen das Gefühl entstehen, am Fortschritt teilzunehmen. Hat er es jedoch nicht, dann sieht er die Entwicklungen gegen sich gerichtet und erkennt in ihnen nur ihre zerstörerischen Potenziale. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass bei hochtechnischen Entwicklungen die Zahl der Wissenden immer geringer und die der Unwissenden immer größer wird.
    Für die Nutzung moderner Technologien benötigt man Akzeptanz, und für das Entstehen von Akzeptanz benötigt man Zeit. Den Industrien muss endlich klar werden, dass der Akzeptanzprozess technischer Neuerungen ein behutsam geleiteter und von Maß und Vernunft gesteuerter Kommunikations- und Vertrauensprozess sein muss.
    Um ein neues Verhältnis zu uns, den Bürgern, zu schaffen, genügt es für die Unternehmen nicht mehr, zu den jeweils wirksamsten taktischen Maßnahmen zu greifen. Es bedarf dazu des ernst gemeinten Verständnisses für unsere Sorgen und Ängste, des Einanderzuhörens und des
Wieder-miteinander-Sprechens. Wir wollen fragen und auch etwas sagen können, aber nicht immer nur zuhören müssen.
    Kommunikation ist die Kunst freier Menschen sich zu verständigen.

14
Deutschland, ein Ökomärchen
    Die Energiewende

    Der endgültige Ausstieg aus der Kernenergie wurde mit einer Richtungsänderung von 180 Grad und in einem Tempo vorgenommen, das schwindelerregend war. Nicht einmal ein halbes Jahr zuvor war noch das Gegenteil – die Laufzeitverlängerung – beschlossen worden. Die derzeitige Koalition reagierte damit völlig anders als eine Koalition der gleichen Zusammensetzung 1986 nach Tschernobyl.
    »Dies lässt sich nicht allein mit im Vergleich zu damals veränderten energiepolitischen Optionen, insbesondere der heute deutlich höheren Bedeutung regenerativer Energien, erklären«, schreibt Allensbach-Chefin Professor Renate Köcher in der FAZ, »sondern ist primär eine Neubewertung von Risiken, und zwar nicht nur der Risiken der Kernenergie selbst, sondern der angenommenen politischen Risiken, die sich aus der gesellschaftlichen Akzeptanz der Kernenergie und des bisherigen energiepolitischen Kurses der Regierung ergeben.« Und mit »angenommenen politischen Risiken« ist ja wohl das eigene politische Überleben gemeint.
    Flexibel sind sie und waren sie schon immer, Politiker wie Kernenergiebetreiber, das muss man ihnen zugestehen,
vor allem wenn es bei den einen um Machterhalt und bei den anderen um Profit geht. Bundesumweltminister Norbert Röttgen
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