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Die Risikoluege

Die Risikoluege

Titel: Die Risikoluege
Autoren: Klaus Heilmann
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und die tatsächliche Realität wiedergeben. Sie können manipuliert und inszeniert, montiert und gefälscht, und heute sogar am Computer künstlich erzeugt werden. Was nichts anderes bedeutet, als dass sie nichts dokumentieren, bestätigen oder beweisen müssen – umso mehr aber täuschen und lügen können.
    Neuerdings werden dem Zuschauer sogar Bilder von aktuellen Ereignissen gezeigt – ich denke an den US-Einsatz in der Villa Bin Ladens –, die Animationen sind, aber den Anschein erwecken, echt zu sein. Die Professorin Elke Grittmann, Expertin für die Analyse von Pressefotos, sagt hierzu: »Animationen sagen weniger, wie es wirklich ist, sondern wie es hätte sein können. Mit dem Journalismus verbinden wir aber Glaubwürdigkeit, und das ist ganz entscheidend dafür, wie diese Animationen aufgenommen werden: Wir nehmen deshalb an, dass diese gut recherchiert sind und alles tatsächlich so gewesen ist.« Ja, nehmen wir es an, oder hoffen wir es wenigstens! Das eigentliche Problem von Bildern, die manipuliert sein können, und von Animationen, die Fiktionen sind, liegt darin, dass sie in den Nachrichten gebracht werden, und damit von vornherein einen Wahrheitsstatus erhalten. Auch weil Bilder
mehr in uns ansprechen als nur den Intellekt, uns emotional schneller erreichen und direkter berühren – weil sie unter die Haut gehen können. Und weil es, wie Frau Grittmann meint, in der Berichterstattung eine Tendenz zur Mischung von Fiktion und Fakten gibt, womit sie leider recht hat.
    »Zu allen Zeiten«, sagt Susan Sontag in einem Essay, »ist die Wirklichkeit durch die von Bildern vermittelten Berichte interpretiert worden; und seit Plato haben Philosophen immer wieder versucht, uns aus unserer Abhängigkeit von Bildern zu befreien; indem sie das Ideal eines bildfreien Erfassens der Wirklichkeit beschworen.« Wie wir wissen, ist dies nicht gelungen, wir sind extrem von Bildern abhängig.
    Fernsehen ist das Medium der Bilder, und für seine Bilder wird es genutzt und geliebt. Denken wir an die Bilder, die uns von Naturkatastrophen erreichen – Haiti, Neuseeland, Japan –, und die uns bewegen und erschüttern. Unsere Reaktionen auf die Bilder sind echt. Sie lösen Spendenfluten aus, Aufrufe im Radio könnten das nicht im gleichen Maße. Aber sobald es keine Bilder von verzweifelten Menschen, weinenden Kindern und sterbenden Vögeln mehr gibt, lässt unser Interesse nach – und unsere Anteilnahme.
    Nach meinen langjährigen (auch aktiven) Erfahrungen mit dem Fernsehen weiß ich, dass dieses Medium primär ein Unterhaltungsmedium und für die Vermittlung von Information wenig geeignet ist. Beim Fernsehen treten Bild und Wort in Konkurrenz zueinander, und Bilder wirken immer stärker als Worte. Gleich stark sind sie nur, wenn Worte genau das sagen, was die Bilder gerade zeigen. Und das zu realisieren, ist schwierig und deshalb heute kaum noch auf dem Bildschirm zu sehen.

    Hierzu passt, was Professor Wolfgang Nieke vom Institut für Allgemeine Pädagogik und Sozialpädagogik der Universität Rostock in einer Studie über Power-Point-Präsentationen festgestellt hat. Durch überflüssige Elemente (etwa Bilder) wird »die Aufmerksamkeit vom Inhalt auf die Form umgelenkt«. Dadurch gingen, wie er feststellte, wichtige Informationen verloren, selbst der einfache Vortrag war den bildorientierten Power-Point-Präsentationen überlegen.
    Wie hat sich das Fernsehen verändert! In seinen Anfängen Mitte der 1950er- Jahre hat man streng zwischen Unterhaltung und Information unterschieden. Die Nachrichten, der eigentliche und damals wichtigste Informationsteil des Programms, wurden ohne Bilder gebracht. Der Sprecher saß an einem Tisch vor einer leeren Wand und las die Nachrichten aus einem Manuskript ab. Genau genommen waren es Radionachrichten, bei denen der Sprecher zu sehen war. Heute sind die Nachrichtensendungen praktisch aller Sender eine Mischung aus Infotainment und Programmvorschau.
    Beim TV-Sender Euronews läuft eine Nachrichtensendung, die »No Comment« heißt: Keine Worte, ausschließlich Bilder, der Zuschauer denke sich, was er will. Euronews sagt hierzu: »Wir glauben, dass Bilder manchmal ohne Erklärungen oder Kommentare auskommen.«
    Dass die Nachrichtenredaktionen zunehmend auf Infotainment setzen, zeigt unter anderem das, wie ich finde, ziemlich groteske Vorhaben der ARD, vor der Tagesschau Thomas Gottschalk, der im Vorabendprogramm bisher nur als Werbefigur für Haribo-Goldbären aufgetreten war,
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