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Die Riesen vom Hungerturm

Die Riesen vom Hungerturm

Titel: Die Riesen vom Hungerturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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konnte er an Ahok vorbei wieder in die andere Richtung fliehen – aber nur, um wieder gehetzt und eingeholt zu werden. Die Strapazen der letzten Wochen aber machten sich schon deutlich bemerkbar. Es war keine Frage, wem hier zuerst die Luft ausgehen würde.
    Fast schon spürte er Ahoks stinkenden Atem im Nacken. Die Riesen spielten mit ihm wie die Katze mit der Maus. Luxon hatte das Gefühl, die Lungen müßten ihm zerreißen. Doch er rannte weiter, bis Ahoks Fuß neben ihm in den Boden stampfte. Noch war der Hungerturm gut hundert Schritt entfernt. Aber Luxon sah schon den weit offenen Eingang, ein Viereck von noch dunklerer Schwärze als das häßliche Gemäuer selbst.
    Er ließ sich fallen, sah für einen schrecklichen Augenblick Ahoks erhobenen Fuß über sich und glaubte, von ihm ins Gras getreten zu werden. Im letzten Moment rollte er sich zur Seite, sprang auf und zog die Klinge quer über die Wade des Riesen. Ahoks Gebrüll ließ die Luft erzittern. Schwer schlug er zu Boden. Luxon sprang über das blutende Bein und hechtete in weiten Sprüngen auf den Turm zu.
    Er erreichte den Eingang gerade, als Celen und Bened die Arme nach ihm ausstreckten. Luxon warf sich ins Dunkel, das Brüllen der Riesen und das Weinen und Klagen der hier Gefangenen im Ohr.
    Schon wirbelte er wieder herum, bereit, jeden der drei, der ihm zu nahe kam, wirkliche Bekanntschaft mit seinem Schwert machen zu lassen.
    Irgendwo knirschten uralte, verrostete Angeln. Es war zu dunkel, um Luxon viel erkennen zu lassen. Nur einen Schatten sah er, der sich vor den Turmeingang schob.
    Dann schlug das Tor mit lautem, dumpfem Knall zu. Mörtel rieselte aus Ritzen auf Luxon herab, und draußen erscholl das schaurige Lachen der Riesen.
    In ohnmächtiger Wut warf sich Luxon gegen das Tor. Von draußen wurde ein schwerer Riegel vorgeschoben, und die Riesen lachten, lachten zum Davonlaufen!
    Genau das aber konnte Luxon nicht mehr.
    Es mochte sein, daß er in diesem Turm eine Zeitlang sicher vor Ahok, Celen und Bened war. Ganz gewiß aber hatten sie ihn sicher.
    Er hatte ihnen den Gefallen getan und war in die Falle gelaufen. Doch immer noch weigerte er sich, dies zu akzeptieren. Es mußte weitere Ausgänge geben – irgendeine Möglichkeit zur Flucht, sobald die drei Ungeheuer schliefen. Und schlafen mußten sie ja früher oder später.
    Das Wehklagen und Schluchzen war verstummt. Luxon nahm die Hände vom Tor und drehte sich um. Mit dem Rücken gegen das morsche, aber viel zu dicke Holz gelehnt, starrte er in die Dunkelheit.
    Schlurfende Schritte kamen näher, und Stimmengemurmel. In Luxons Vorstellung schob sich ihm in der Dunkelheit eine gespenstische Armee entgegen, halbverhungerte Gestalten in Lumpen, Kranke, vielleicht Aussätzige…
    Er wich am Tor entlang zurück, bis er mit dem Rücken gegen Mauersteine stieß. Die Klinge fest in der Rechten, tastete er mit der linken Hand über die Steine und zuckte zurück, als er warmes Fleisch berührte.
    »Geht weg!« stieß er hervor. »Verschwindet!«
    Das Gemurmel wurde lauter. Augen blinkten schwach im Dunkel. Eine Hand berührte Luxons Brust.
    »Fort mit euch!« rief er erschauernd. »Ich warne euch zum letztenmal! Verkriecht euch und bleibt mir vom Leib, oder ich…«
    Von irgendwoher kam ein Lichtschein. Ganz kurz nur sah Luxon die zerlumpten, ausgemergelten Gestalten vor sich, und es waren mehr als ein Dutzend. Sie schraken zurück, rissen die wunden Arme vor die Augen und beugten sich wie unter Peitschenschlägen.
    Ein brennender Holzscheit flog Luxon vor die Füße. Woher er kam, war nicht auszumachen. Weitere Hölzer folgten.
    »Damit ihr euch anfreunden könnt!« kam es von draußen. Die Stimme des Riesen war voller Hohn. »Achtet gut auf das Feuer. Ihr bekommt keines mehr, bis wir zurückkehren. Und dann wollen wir eure Pfänder!«
    Luxon bückte sich schnell nach dem Scheit und leuchtete. Die Gefangenen, Männer wie Frauen, wichen bis zu den nackten, feuchten Wänden zurück und schützten ihre Augen. Alle Hoffnungen auf Flucht zerschlugen sich innerhalb weniger Augenblicke. Der Turm war nichts als ein einziges, großes Verlies. Es gab keine Treppen, die nach oben führten, keine Öffnungen, nichts. Auf kahlem Boden lagen Menschen, die nicht mehr die Kraft hatten, sich aufzurichten, und offensichtlich auf den Hungertod warteten. Der Schein der Flamme reichte nicht bis zum Dach hinauf.
    »Heda!« kam es wieder von draußen. »Hast du die anderen gesehen, Zwerg? Dann überlege dir gut, ob du

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