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Der Liebestempel

Der Liebestempel

Titel: Der Liebestempel
Autoren: Carter Brown
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ERSTES KAPITEL
     
    I rgendein Frühaufsteher von
Angler hatte zufällig eine Leiche aus dem See gezogen. Und deshalb, so
verkündete der Sergeant vom Dienst unter brüllendem Gelächter durchs Telefon,
würde der Bursche von jetzt an für den Rest seines Lebens vielleicht nur noch
Steak essen.
    Wenn ich etwas noch mehr hasse,
als Späße am frühen Morgen, dann, durch eine Leiche am frühen Morgen aus dem
Bett gezerrt zu werden. Ewig bin ich von der nervösen Vorahnung befallen, daß
ich irgendwann einmal den Alptraum haben werde, in dem genau das geschieht — daß
mich eine Leiche mit ihren eiskalten um meinen Hals gepreßten Händen, ein gräßliches Grinsen auf dem Gesicht, aus
dem Bett zerrt. Wenn es dann einmal soweit ist, höre ich mit dem
Polizeibeamtendasein auf und fange an, Kleider für alte Ladys mit
Übergewichtsproblemen zu entwerfen.
    Als ich den See erreichte, war
es erst sechs Uhr morgens, und um die ferne Spitze des Bald Mountain lag ein
heller Sonnenstrahlenkranz. Der selbstzufriedene Ausdruck auf den Gesichtern
der kleinen Empfangsparty verriet mir, daß sie ihre Arbeit bereits hinter sich
gebracht hatten, während ich meine noch vor mir hatte.
    »Einen recht schönen guten
Morgen, Lieutenant Wheeler«, sagte Doc Murphy vergnügt. »Ich bin gerade im
Begriff, nach Hause zu gehen und wieder ins Bett zu hüpfen.«
    »Hüpfen Sie — und verschaffen
Sie Ihrer Frau damit eine neue Neurose!« fauchte ich.
    Ein plötzliches Rumpeln
ertönte, und einen Augenblick lang dachte ich, der Bald Mountain hätte eine
Eruption, aber es war nur Sergeant Polnik , der sich
räusperte.
    »Die Leiche ist dort drüben,
Lieutenant«, krächzte er.
    »Der Doktor meint, sie habe
nicht wohl allzulange im See gelegen.«
    »Jedenfalls nicht länger als
ein paar Stunden«, pflichtete Murphy bei. »Die Leiche war überhaupt kein
Problem, aber ich hatte Mordsscherereien mit dem
Burschen, der sie rausgezogen hat.«
    Im Augenblick schien mir sogar
der Anblick einer Leiche einer idiotischen Unterhaltung vorzuziehen zu sein,
und so ging ich behutsam zum Rand des langen, dichten, feuchten Schilfs, wo der
Tote lag. Es war ein Mann von Mitte Dreißig. Sein dichtes schwarzes Haar klebte
eng am Kopf, die Lippen waren über kräftigen weißen Zähnen zurückgezogen, die
verschleierten braunen Augen starrten mich mit kaltem Haß an. Er war barfuß und
trug ein schwarzes Baumwollhemd und eine Hose aus demselben Stoff. Die linke
Seite des Hemds war eine einzige blutige Masse.
    »Tot, bevor er ins Wasser
fiel«, sagte Murphy hinter mir. »Bei der Autopsie wird sich natürlich
herausstellen, wieviel Kugeln in ihm stecken, aber er
kann höchstens noch ein paar Sekunden gelebt haben, nachdem er getroffen worden
war.«
    »Vielen Dank, Doc Murphy«,
brummte ich. »Sie sind nicht zufällig hellsichtig veranlagt und können mir
seinen Namen verraten?«
    » Magnuson «,
sagte Polnik mit seiner Krächzstimme .
»Hank Magnuson . Seine Frau hat ungefähr anderthalb
Kilometer südlich von hier ein Haus am See. Magnuson ist seit einem Jahr oder länger hier in der Gegend nicht mehr gesehen worden.
Ich meine, vor heute morgen , Lieutenant.«
    Ich drehte mich sehr langsam um
und betrachtete eine Weile des Sergeants primitive
Nachbildung eines Gesichts. »Sie haben mir nie gesagt, daß Sie der siebente
Sohn eines siebenten Sohns sind.«
    »Wieso, Lieutenant?« Seine
Augen glitten unsicher flackernd zu Murphy hinüber. »Was meint er damit, Doc?«
    »Keine Ahnung!« Murphy zuckte
die Schultern. »Wenn Wheeler ins Plappern gerät, höre ich meistens gar nicht
zu.«
    »Sie verzeihen meine
Neugierde«, sagte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. »Ich hätte
nur gern gewußt, ob Ihnen die Leiche vielleicht ihren Namen mitgeteilt hat?«
    »Nein, Sir, Lieutenant.« Polnik strahlte beglückt, nun, nachdem er sich wieder auf
sicherem Boden befand. »Das konnte er gar nicht — er war bereits tot, als ich
hierherkam.«
    »Es macht Ihnen wohl überhaupt
nichts aus, daß ich hier stehe und sämtliche Tassen aus dem Schrank verliere?«
Ich wandte mich flehend an Murphy. » Polnik ist nicht
hellsichtig — der Tote hat sich ihm nicht anvertraut. Also was, zum Teufel, ist
los?«
    Murphy sah aus, als amüsierte
er sich. »Ich bin überrascht, daß ein so gerissener Polyp wie Sie, Wheeler,
nicht selber auf den Drücker kommt. Haben Sie denn schon den Burschen
vergessen, der die Leiche aus dem Wasser gefischt hat?«
    »Der unsichtbare Mann?« knurrte
ich. »Hat
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