Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Liebestempel

Der Liebestempel

Titel: Der Liebestempel
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
was ihr in der Leichenhalle bevorsteht, ist
schon schlimm genug für sie. Nicht?«
    »Okay.« Ich nickte. »Kendall — wie
heißt er sonst noch?«
    »Ich weiß es nicht — einfach
Kendall.« Dann kam die Witwe ins Zimmer zurück und Bryants Gesicht verschloß
sich ebenso wie sein Mund.

ZWEITES KAPITEL
     
    D er Tempel der Liebe lag
in einiger Entfernung von der Straße in einer Gartenanlage, umgeben von einem
Orangenhain. Ich ließ den Wagen auf dem Parkplatz stehen und ging über die mit
Kies bestreute Zufahrt auf das Gebäude zu. Von außen wirkte es wie einer der
kalifornischen architektonischen Alpträume aus den zwanziger Jahren, beherrscht
von spanisch-maurischem Einfluß. Ein zierliches schmiedeeisernes Tor führte zu
einem Innenhof mit hohen weißen Mauern aus Luftziegeln. In der Mitte des Hofs
stand eine selbst für ihre Verhältnisse wollüstig aussehende Venus, die eine
Urne über ihrem Kopf hielt. Ich sah zu, wie sich Wasserkaskaden aus dem Gefäß
über ihren prachtvollen Marmorkörper ergossen, und fragte mich lässig, warum
wohl immer gerade Brunnenskulpturen erotische Neigungen bei Künstlern zu
erwecken pflegen.
    Der Haupteingang bestand aus
einem massiven gewölbten Gang, der schließlich vor einem weiteren
schmiedeeisernen Tor endete, neben dem eine solide Kupferglocke hing. Ich zog
an der Klingelschnur, und ein tiefes, klangvolles Geläute ertönte. Ich wäre
nicht besonders überrascht gewesen, wenn plötzlich ein riesiger Eunuch
erschienen oder ein fliegender Teppich mit verschiedenen Zwischenlandungen an
den einschlägigen Punkten des Hofs auf mich zugeschwebt wäre. Aber gleich darauf
tauchte aus dem Dunkel hinter dem Tor eine Gestalt auf, die sich beim
Näherkommen als eindeutig weiblichen Geschlechts entpuppte.
    Ich blinzelte ein paarmal, um
sicherzustellen, daß es sich nicht um eine durch das Licht verursachte
Sinnestäuschung handelte, aber das war es keineswegs. Das lange Haar des
Mädchens hing tatsächlich bis beinahe zur Taille hinab. Ihre tiefliegenden
Augen über den hohen Backenknochen waren von funkelndem Saphirblau, und um ihre
vollen Lippen lag ein Ausdruck beherrschter Sinnlichkeit. Sie trug ein
enganliegendes Kleid von lebhaftem Gelb, ärmellos und hochgeschlossen. Die
Rundung ihrer vollen Brüste zeichnete sich klar unter der dünnen Baumwolle ab,
und die Grübchen an den Knien waren gerade noch unter dem Saum sichtbar. Sie
schloß das schmiedeeiserne Tor auf, öffnete es weit und lächelte mir voller
Wärme zu.
    »Ich bin Justine .«
Ihre Stimme klang wie das Rauschen eines sanften warmen Sommerwinds. »Sind Sie
der Liebe bedürftig?«
    »Im Augenblick würde ich Kaffee
vorziehen«, sagte ich.
    Sie blinzelte bedächtig. »Aber
das hier ist ein Tempel der Liebe. Warum kommen Sie sonst hierher?«
    Ihre Rechte hob sich — langsam —
zu einer kleinen fragenden Geste. Ich war überzeugt, daß sie niemals etwas in
Eile tat, und begann mich plötzlich für ihre Sexgewohnheiten zu interessieren.
Dann erklärte ich ihr, wer ich sei und daß ich einen Mann namens Kendall zu
sprechen wünschte.
    »Weswegen?«
    »Wegen Mord.«
    Das brachte sie nicht im
geringsten aus der Fassung. »Kommen Sie herein, Lieutenant«, sagte sie ruhig.
»Ich will sehen, ob ich ihn finden kann.«
    Ich folgte dem faszinierenden
Schwung ihres gelben Kleides, das bei jedem Schritt elastisch über ihrem
angenehm gerundeten Hinterteil mit wippte, bis wir schließlich in ein Zimmer am
Ende des langen Korridors traten. Der Raum war kühl und empfing nur wenig Licht
durch die kleinen, hoch oben an der einen Wand eingelassenen Fenster. Eine
Atmosphäre klösterlicher Strenge lag über dem Ganzen. Das einzige Mobiliar
bestand aus zwei langen Holzbänken, die auf dem kahlen Fliesenboden standen.
    »Warten Sie bitte hier«, sagte
die Blonde.
    Die Atmosphäre wurde, nachdem
sie den Raum verlassen hatte, schnell deprimierender; und wenn das für den
ganzen Tempel der Liebe typisch war, dann fragte ich mich, wer zum
Teufel wohl seiner bedürftig sein konnte. Mir fiel die attraktive Witwe, Gail Magnuson , ein und ich konnte sie mir vor diesem Hintergrund
hier einfach nicht vorstellen. Als der Wärter der Leichenhalle das weiße
Leintuch abgehoben hatte, um sie einen Blick auf das Gesicht des Toten werfen
zu lassen, hatte sie nur kurz genickt, als ob sie soeben einen flüchtigen
Bekannten wiedererkannt hätte, dem sie vor vielen Jahren einmal vorgestellt
worden war. Aber als Bryant sie zu seinem Wagen zurückbegleitet
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher