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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit
Autoren: Andrej Djakow
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kräftig und trank einen Schluck, ohne seinen Gesprächspartner aus den Augen zu lassen.
    Der schlaue Fuchs, verdammt. Er hatte sich das alles schon von vornherein so ausgedacht. Und im Prinzip handelte er so, wie man es vom Boss des wichtigsten Handelszentrums der Metro erwarten musste: findig und vorausschauend. Der Stationsknoten Sadowaja-Sennaja-Spasskaja hatte es stets verstanden, in Konflikten zwischen den diversen Gruppierungen neutral zu bleiben. Der Handelsring pflegte friedliche Beziehungen zu sämtlichen Stationen. Eine Volksweisheit besagt: Mit den Klugen musst du verhandeln, die Dummen übers Ohr hauen … Und nach dieser Maxime lebten sie nicht schlecht, diese Ganoven.
    Das intensive Aroma des Tees riss Taran aus seinen Gedanken. Richtiger Tee . A us Ceylon. Kein Vergleich mit dem geschmacklosen Pilzsurrogat, das Normalsterbliche tranken. Wo sie den wohl aufgetrieben hatten? Diese Krämerseelen kamen an alles heran.
    Der Stalker zwang sich, wieder zum Thema zu kommen.
    »Wie einfach alles bei dir ist …« Seine kräftigen Finger trommelten auf der Tischplatte. »Woher nimmst du eigentlich die Gewissheit, dass die Metrobewohner nichts mit dem Anschlag zu tun haben?«
    »Das liegt doch auf der Hand.« Terentjew sprang auf und gestikulierte wild. »Niemand in der Metro verfügt über entsprechende Technologien. Dagegen sind die Seeleute meiner Meinung nach nicht über alles im Bilde, was sich auf ihrer unglückseligen Insel abgespielt hat. Hast du gehört, mit welchem Gefährt sie zur Tschkalowskaja getuckert sind? Sagt dir die Abkürzung MSKT etwas? Sieben-neun-zwei-zwei-eins?« Der Stationsvorsteher bemerkte sofort, dass Taran aufhorchte. »Jaja. Ein Raketentransporter der Armee. Das Basisfahrzeug für die Topol-M. Nur eine Rakete hatten sie nicht dabei. Merkst du, worauf ich hinauswill? Wer weiß, ob nicht der Sprengkopf einer Topol auf der Insel hochgegangen ist?«
    Der Stalker erwiderte nichts und dachte nach. Terentjews Theorie hatte durchaus Hand und Fuß. Es war nicht auszuschließen, dass sie auf der Moschtschny mit dem gefährlichen Spielzeug gezündelt hatten. Jedenfalls waren die Inselbewohner fanatische Waffennarren. Davon hatte sich Taran überzeugen können, als er mit Gleb auf der Insel gewesen war.
    »Was gibt’s denn da zu überlegen?«, drängte Tjorty. »Nun sag schon Ja! Bei der Arbeit machst du dir nicht mal die Hände schmutzig. Und wir werden uns nicht lumpen lassen, versprochen.«
    »Ich brauche nichts von euch.«
    »Vom Handelsring nicht, das ist mir schon klar«, entgegnete Tjorty und grinste listig. »Aber auf dem Bahnsteig wartet jemand, der hat dir etwas anzubieten, was du wohl kaum ausschlagen wirst. Gehen wir!«
    Draußen wurden sie Zeugen einer unschönen Szene. Irgendein Unhold versuchte, einem schmutzigen Mädchen den Stoffbeutel mit ihren bescheidenen Habseligkeiten zu entreißen. Taran blieb stehen. Noch vor zwei Monaten wäre er wohl einfach weitergegangen. Ohne mit der Wimper zu zucken. Doch seit er Gleb unter seine Fittiche genommen hatte, war er ein anderer Mensch geworden.
    »Was fällt dir ein?!«, herrschte er den Halbstarken an.
    Der erschrak beim Anblick des furchteinflößenden Stalkers, überlegte einen Augenblick und suchte das Weite. Das Mädchen, das einen viel zu großen, sackartigen Overall trug, bedankte sich schüchtern und verschwand in der Menge.
    Terentjew schob Taran ungeduldig weiter . A ls sie die Bahnsteigmitte erreichten, bekamen sie gerade noch mit, wie Pantelej mit schweißgebadeter Stirn eine flammende Rede beendete:
    »… Und das ist ein weiteres Argument dafür, dass es für diese Mission keinen Besseren gibt. Stimmen wir ab. Wer ist dafür?«
    Ein Wald von Armen reckte sich in die Luft. Viele nickten zustimmend, als sie den Stalker erblickten. Wie der alte Fuchs Tjorty vorausgesagt hatte, waren die Abgesandten nun doch zu einer Einigung gekommen.
    »Was sagst du dazu, Taran?«, fragte der Administrator mit einem feierlichen Lächeln.
    Der Stalker ließ den Blick über die Versammelten schweifen. Hasserfüllte, gerötete Visagen. Der erbitterte Streit und die gegenseitigen Beleidigungen hatten Spuren hinterlassen. Jeder Zweite war bereit, seinem Nachbarn im nächsten Moment an die Gurgel zu gehen. Gut möglich, dass sich die Herrschaften gegenseitig liquidierten, noch bevor die Seeleute mit ihrem Senfgas ankamen . A ber was machte das schon für einen Unterschied? Die spärlichen Relikte der Menschheit in der Metro boten ohnehin einen
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