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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit
Autoren: Andrej Djakow
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könnte. Hat jemand eine Idee?«
    In der Bahnsteighalle der Sennaja spielten sich abermals tumultartige Szenen ab. Die Abgesandten zeigten mit dem Finger auf ihre Nachbarn und bombardierten einander mit Unterstellungen und Beleidigungen.
    »Die Masuten waren’s, wer denn sonst?!«, ereiferte sich ein Moskowiter mit aus den Höhlen tretenden Augen. »Sie sind die Einzigen, die eine Bombe bauen können.«
    »Blödsinn!«, konterten die Beschuldigten. »Völlig ausgeschlossen mit unseren technischen Mitteln.«
    »Die Veganer stecken dahinter!«, blökte der Bandit von der Kirsa . »Die treiben sich doch dauernd an der Oberfläche herum. Wäre kein Wunder, wenn sie eine Raketenstellung geplündert hätten.«
    »Wenn ihr mich fragt: Das ist ein Werk der Allianz.«
    »Die Kommunisten sind an allem schuld!«
    »Die Moskowiter waren’s!«
    Zum wiederholten Male versuchte Pantelej Gromow, die Streithähne unter Aufbietung all seiner Stimmgewalt zur Ordnung zu rufen. Er wusste, dass es bei diesem Chaos nie gelingen würde, sich auf irgendetwas zu einigen, geschweige denn die Schuldigen zu finden.
    Die Abgesandten waren so in ihre Scharmützel vertieft, dass sie dem Stalker, der den Ort des Geschehens verließ, keine Beachtung schenkten. Taran hatte genug gehört und steuerte auf den Ausgang zu. Er hatte sich vorgenommen, den Bunker, den er mit Gleb bewohnte, gegen einen möglichen Angriff der Babylonier zu rüsten. Dazu musste er die Lüftungsstutzen im Hof des Krankenhauses tarnen und die hermetischen Türen verstärken.
    »Warte, Stalker.«
    Taran, der bereits das Ende des Bahnsteigs erreicht hatte, wandte sich um . A m Eingang zu den Diensträumen stand mit verschränkten Armen Viktor Terentjew, der Stationsvorsteher der Sennaja . Unter seinen Augen hingen dicke Tränensäcke, die von chronischem Schlafmangel zeugten, doch unter seinen buschigen Augenbrauen flackerte ein listiger Blick. Diesen prüfenden, berechnenden Blick kannte der Stalker nur zu gut. Nicht umsonst hatte man Terentjew den SpitznamenTjorty verpasst.
    »Komm auf einen Plausch herein«, flötete Viktor und machte eine einladende Geste.
    Obwohl Taran ahnte, dass der Stationsvorsteher etwas im Schilde führte, folgte er ihm in den breiten Gang, von dessen schorfigen Wänden die alte Farbe in spektakulären Fetzen herabhing. Die graue, von Wasserflecken verunzierte Decke fügte sich trefflich in den verwahrlosten Anblick. Terentjew kümmerten solche Lappalien offenbar wenig. Mit Ästhetik hatte er nichts am Hut. Das Einzige, was ihn interessierte, war das Geschäft.
    Die Behausung des Stationsvorstehers war bescheiden eingerichtet: Feldbett, Holztisch, ein paar Stühle, ein riesiger Eichenholzschrank, auf dem sich ein Wust vergilbter Papiere stapelte, und an der Wand ein Plan mit den Linien der Metro.
    »Möchtest du Tee? Oder lieber was Stärkeres?«
    Taran schüttelte den Kopf. Tjorty nickte, als hätte er keine andere Antwort von dem Stalker erwartet.
    »Dann lass uns zur Sache kommen.« Der Stationsvorsteher ließ sich auf einen Stuhl plumpsen. »Was sagst du zu diesen Dampfplauderern?« Taran machte nur eine wegwerfende Handbewegung. »Sehe ich auch so. Große Klappe – und nichts dahinter . A ber egal. Pantelej wird ihnen schon den Kopf zurechtrücken.«
    »Da habe ich so meine Zweifel, Tjorty«, entgegnete Taran. »Diese Sturköpfe bewegen sich erst, wenn die Scheiße richtig am Dampfen ist. Daran wird dein Pantelej nichts ändern können.«
    »Da kennst du ihn aber schlecht. Gromow ist nicht so dusselig, wie er aussieht. Ich garantiere dir, dass er sie zur Vernunft bringen wird. Sie werden einsehen, dass es in der Sache ohne eine neutrale Partei nicht geht …«
    »Eine neutrale Partei?« Taran sah Tjorty argwöhnisch an. »Sag mal, du hast mich doch hoffentlich nicht hereingebeten, um …«
    Auf Terentjews Gesicht erschien ein verschmitztes Grinsen. Der alte Gauner …
    »Hör zu, Taran. Du bist der Einzige, der schon mit allen Siedlungen zu tun hatte. Du hast einen tadellosen Ruf. Die Leute vertrauen dir. Du hast Zugang zu allen Stationen . A ußerdem ist das doch keine große Sache. Du machst eine Inspektionstour und überzeugst dich davon, dass niemand in der Metro Zugriff auf Kernwaffen hat. Die Ergebnisse präsentieren wir dann diesen Seeleuten. Du wirst sehen, so können wir die Wogen glätten. Sie werden sich eingewöhnen und bald Ruhe geben. Und dann binden wir sie in den Handel ein.«
    Tjorty nahm die dampfende Tasse vom Tisch, pustete
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