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Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg
Autoren: Léo Malet
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seiner
berühmten Zeichnung Der Große Kuchen gesehen hatte: ein Richter, der
gerade den Kopf eines Mannes auf den Küchentisch wirft, umringt von Frau und
Kindern.
    „Ich komme spät nach Hause,
aber ich habe ihn!“ ruft der Familienvater. Man erpreßt ihn? Gut. Er war im Knast? Gut und schön.
Nach einer Schrecksekunde finde ich das ganz lustig. Beweist doch nur, daß es
so was wie ‘ne Gerechtigkeit gibt. Als ihr Diener dürfte er sich eigentlich
nicht beklagen. Meine Gedanken sind ihm nicht verborgen geblieben. Er hat noch
immer den sicheren Blick seiner großen Zeit.
    „Ich weiß nicht, ob ich jetzt
noch mit Ihnen rechnen kann, Monsieur Burma. Ich glaube, diese Eröffnung wirkt
höchst unerfreulich auf Sie.“
    „Glauben Sie’s nicht!
Staatsanwälte sollten nicht alles glauben, glaube ich. Für mich sind Sie ein
Klient wie jeder andere.“
    „Übrigens bin ich inzwischen
ungefährlich geworden und...“
    „...ins Gefängnis gewandert,
ich weiß. Reden wir wieder über ernstere Dinge. Wer will Sie erpressen, und
warum?“
    „Warum? Das weiß ich nicht.
Ganz und gar nicht. Diese schlechtbezahlten Gesetzesbrecher fangen irgendwo an,
klopfen auf den Busch, einfach so, rein zufällig, bohren nach, in der Meinung,
Privatpersonen verfahren nach denselben Prinzipien wie bestimmte Banken. Sei
verstehen doch, wie ich das meine, oder?“
    „Allerdings, Monsieur. Gewisse
Großbanken, die sich absolut nichts vorzuwerfen haben, zahlen regelmäßig
Bestechungsgelder, nur um sich gegen Verleumdung zu schützen. Das macht den
Wohlstand und die Selbstsicherheit bestimmter Erpresser aus.“
    „Ganz genau. Also, ich weiß
nicht, warum — aber ich weiß, wer. Name und Adresse... na ja... so ungefähr...“
    „Einer Ihrer ehemaligen Kli...
Nein, wirklich! Bin ich blöd! Keiner Ihrer ehemaligen Klienten hat... äh...
soviel Köpfchen, um so was einzufädeln.“
    „Aber er ist vorbestraft.
Hier...“
    Gaudebert nimmt ein Blatt
Papier von der Schreibtischunterlage und reicht es mir.
    „Ein gewisser Ferrand“, erklärt
er. „Das da hab ich heute morgen von ihm bekommen.“
    Ich muß mich zusammenreißen, um
nicht mit der Wimper zu zucken. Wieder läuft es mir kalt über den Rücken. Aber
ich sage nichts. Die Buchstaben sind einzeln oder in halben Sätzen aus einer
Zeitung ausgeschnitten. Die unmißverständliche Botschaft lautet:
     
    SCHICKEN SIE FÜR MORGEN EIN
PÄCKCHEN MIT 250 000 FRANCS IN NICHT NOTIERTEN, NICHT NEUEN
TAUSENDFRANCSSCHEINEN AUS UNTERSCHIEDLICHEN SERIEN AUF DEN NAMEN FERRAND
POSTLAGERND AN DAS HAUPTPOSTAMT AVENUE GENERAL-LECLERC 14-15. ANDERNFALLS WERDE
ICH HANDELN.
     
    Ich gebe Monsieur Gaudebert den
Kreditwunsch zurück. „Wenn ich recht verstehe, werden Sie ein Päckchen mit
altem Papier in Tausenderformat losschicken, zusammen mit mir. Getrennte Post,
versteht sich. Ich soll dann am Schalter für postlagernde Sendungen stehen und
dem Adressaten das sagen, was Sie mir eben gesagt haben.“
    „Genau. Ihm begreiflich machen,
daß es besser für ihn ist, damit aufzuhören. Können Sie das erledigen?“
    „Ich kann’s ja mal versuchen
und mit ihm reden. Solche Kerle reden furchtbar gerne.“
    Auch wir reden noch über dies
und das. Er rückt mit einem beachtlichen Vorschuß raus, und wir trennen uns in
gutem Einvernehmen.
     
    * * *
     
    Aus diesem Grund war ich
schließlich und endlich doch zur Verabredung mit Ferrand gegangen.
    Und aus diesem Grund wartete
ich in jener Nacht, an eine Hauswand gelehnt.

3 .

Die Rote
Maus
     
    Eine gute halbe Stunde war
vergangen, seit wir uns getrennt hatten. Und zumindest er hatte eventuellen
Neugierigen den Eindruck vermittelt, daß er keinen gesteigerten Wert darauf
legte, mich wiederzusehen.
    Jetzt stand er neben mir an der
Häuserecke.
    „Und?“ fragte ich.
    „Nett von Ihnen, mir Ihr
Vertrauen zu schenken“, erklärte er gedämpft.
    Ich hatte ihn genau beobachtet,
als er auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf mich zugekommen war. Ständig
hatte er sich umgeblickt; offenbar fürchtete er, daß ihm jemand gefolgt war.
    Und jetzt stand er neben mir
und rieb sich die Hände. Mehr vor Nervosität als vor Zufriedenheit, nahm ich
an. Die heftige Bewegung brachte seine Jacke, die er wie ein Torero lässig über
die Schulter geworfen hatte, aus dem Gleichgewicht. Mehrmals mußte er sie
wieder in Stellung bringen. Sah aus wie’n Veitstanz.
    „Doch, wirklich, sehr nett von
Ihnen.“
    „War mir ein Vergnügen“,
antwortete ich. „Hab mich lange nicht
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