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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens
Autoren: Jay Lake
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riesige Kokons. Zwei weitere lagen in ihrer Kabine, Yao und der nette Lu. Sie hielt es für unwahrscheinlich, dass sie den nächsten Morgen erlebten.
    Childress bemerkte irgendwann, dass die Five Lucky Winds sich wieder in Marsch gesetzt hatte. Einer der Köche, Ping, schenkte ihr ein schiefes Lächeln und reichte ihr ein heißes Tuch, damit sie sich waschen konnte.
    »Sie ist fort, Maske«, sagte al-Wazir und überraschte Childress damit. Es wunderte sie sehr, dass ein so riesiger und lauter Kerl sich so langsam an sie heranschleichen konnte, und das vor allem in so engen Räumlichkeiten, wie es sie an Bord eines Unterseeboots gab.
    »Emily«, sagte sie, die seit über dreißig Jahren keinem Mann angeboten hatte, sie beim Vornamen zu nennen. »Sie dürfen mich Emily nennen.«
    Er lächelte und hockte sich auf den blutverschmierten Boden. »Gerne. Und ich bin für meine Mutter und meinen ersten und letzten Priester, damals und heute, Threadgill. Allerdings werde ich’s nicht merken, wenn Sie mich mit dem Namen ansprechen. Immerhin … Emily … die Kleine ist jetzt auf dem Weg. Keine Chance, sie zurückzurufen oder aufzuhalten.«
    »Wohin fahren wir?«, fragte sie. Die Frage hätte alles alles bedeuten können, aber im Moment verspürte sie nur Erleichterung für Paolina. Sie fühlte sich auch fürchterlich erschöpft. Sie musste sich noch um Phuket kümmern. Aber nun, da sich Paolina nicht mehr in den Krallen des Schweigsamen Ordens befand, konnten sie sich die Zeit nehmen, ihre nächsten Schritte in Ruhe zu planen.
    »Nach Afrika, um einem Freund zu helfen. Und dann suchen wir uns Häfen, in denen man uns willkommen heißt.«
    Childress dachte darüber danach. »Der Kapitän ist sich sicher, dass es sie gibt.«
    »Der Kapitän ist sich überhaupt nicht sicher«, sagte Leung, der hinter al-Wazir aufgetaucht war. »Aber er ist immer noch der Kapitän und muss deswegen einen Kurs anlegen.«
    »Ich bin noch nie in Afrika gewesen.« Childress fragte sich, ob dieser Kontinent, der in einem Zustand der Unwissenheit existierte, Gott näherstand.
    Al-Wazir knurrte. »Nun, so wie ich das sehe, ist es ein Höllenschlund aus Mauermonstren und Engländern.«
    »Möge Frieden mit uns allen sein«, sagte Childress.
    »Frieden für alle«, sagte der Bootsmann.
    Hinter ihm nickte Leung. »Alles, was der Weltenordnung unterliegt, hat einen Namen, Maske Childress. Wer einen Namen vergibt, der bindet sich an diesen Namen.«
    »Dann bezeichne ich Sie hiermit als Freund«, sagte sie sanft. »Sie und Ming und die Köche und alle anderen an Bord.«
    Sie drehten nach Westen ab, in Richtung des Sonnenuntergangs, und bereiteten sich auf ein Massenbegräbnis vor, während die Five Lucky Winds in die Dunkelheit hinabglitt.

Nachwort
    Paolina schritt langsam durch den kühlen Nebel. Vor ihr ging es tief hinunter, und sie hatte keinerlei Absicht, sich dabei zu gefährden. Auf diesem Gebiet hatte es früher einen geometrisch angeordneten Garten gegeben – das ließ sich anhand der Steintrümmer und breiten Wege erkennen. Ming hatte die Überreste eines Obstgartens und damit etwas zu essen entdeckt, aber das Gebäude, das unter dem Gewicht erfrorener Rankpflanzen und dornigen Buschresten zusammenbrechen drohte, hatten sie umgangen. Hier oben roch es nach alten Steinen und sonst nicht viel. Wer immer diesen Ort erbaut und in ihm gelebt hatte, war schon vor langer Zeit verschwunden.
    Immerhin befanden sie sich auf der Südseite von a Muralha . Jenseits des Einflusses des Schweigsamen Ordens, der Gefederten Masken oder rivalisierender Kaiserreiche, auf die beide ihren Einfluss geltend machten.
    Sie wusste im Augenblick nicht, wo sich Ming befand. Vermutlich sah er sich irgendwo im Westen um. Paolina konnte sich kaum vorstellen, was er dort zu entdecken hoffte – sie konnte praktisch nur von einem Baum zum nächsten sehen.
    Als sie auf den Engel traf, kreischte sie beinahe überrascht auf, bis sie bemerkte, dass es sich um eine Statue handelte.
    Als der Engel seinen Messingkopf drehte und nickte, war sie zu überrascht, um noch aufzuschreien.
    »Willkommen in der Südlichen Welt« , sagte er auf Portugiesisch, der Sprache, die sie am wenigsten erwartet hatte. »Hol deinen Freund. Ich möchte, dass ihr jemanden kennenlernt.«

 
    Jay Lake (Joseph E. Lake, Jr.), geboren 1964, wurde 2004 mit dem John W. Campbell Award als bester neuer Science-Fiction-Autor ausgezeichnet. Er hat mehrere Romane und weit über hundert Kurzgeschichten veröffentlicht,
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