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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens
Autoren: Jay Lake
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annahmen.
    Sie ruderten schweigend gen Süden, in Richtung von a Muralha , die sich hinter ihr erhob, unverrückbar, unverkennbar. Sie würde sie bezwingen, überqueren und eine eine neue Welt betreten: Das wusste sie.
    Als Ming zu singen begann, hörte sie ihm eine Weile zu. Paolina war zwar keine besonders gute Sängerin, aber bald schon summte sie eine wortlose Melodie, die zu seinem Rhythmus passte. Es war fast wie ein kleines Gebet, nur dass sie es beide der Mittagszeit widmeten. In regelmäßigen Abständen benetzte der Ozean ihre Ruder mit Salzwasser.
    Al-Wazir
    Er hatte keine Zeit darauf verwendet, an das Mädchen zu denken oder wie Childress ihr hinterher zu schauen. Stattdessen hatte er seine Kraft – die im Vergleich zu diesen kleinen, betriebsamen Kerlen ungeheuer war, obwohl er nur noch eine Hand hatte – dazu benutzt, um die Verwundeten und Toten nach unten zu bringen. Die Matrosen der Five Lucky Winds ließen ihre Kameraden nicht an einem Ort zurück, wo sie sich ihre letzte Ruhestätte mit denen hätten teilen müssen, die sie angegriffen hatten.
    Das Gefühl konnte er nachvollziehen.
    Leung kam schließlich vom Turm hinunter. »Sie ist außer Reichweite. Wir müssen los.«
    »Ja.« Al-Wazir sah kurz zur Küste Sumatras zurück und erinnerte sich an die Einladung, die er eben noch erhalten hatte. Sicher würden sie von dort genauestens beobachtet. Wenn die Krausköpfe nicht auch unter dem Zauberspruch litten, den Paolina mit diesem Ding gewirkt hatte. »Und welchen Kurs haben wir angelegt, Sir?«
    »Ich habe große Lust nach Westen zu segeln, Bootsmann al-Wazir. Ich habe hier keine großen Optionen. Ich könnte versuchen, meinen Heimathafen zu erreichen, ständig verfolgt als Verräter und Meuterer, aber ich bin mir sicher, dass die Five Lucky Winds dann binnen Tagesfrist auf den Boden der Straße von Malakka sinken würde.«
    Al-Wazir musste lachen. »Wenn Sie zu weit nach Westen fahren, wird man Sie als chinesischen Eindringling behandeln. Bin mir ziemlich sicher, dass der Boden des Indischen Ozeans nicht netter ist als der Boden irgendeiner asiatischen Meerenge.«
    »Ich muss zwei englische Passagiere an Land bringen. Vielleicht ließe sich eine Lösung finden.«
    »Oh, Sie sind ein Optimist, Kapitän. Doch wie es der Zufall so will, habe ich einen guten Draht zum Premierminister, wenn wir eine Möglichkeit finden, ihm eine Nachricht ohne sofortige Konsequenzen zu schicken. Ich schulde ihm auf jeden Fall meinen Bericht und würde gerne seine Meinung dazu hören. Außerdem bin ich verpflichtet, einige Männer zu retten, die ich im Osten Afrikas an der Mauer zurückgelassen habe. Darüber möchte der Premierminister auf jeden Fall auch Bescheid wissen. Nicht zuletzt habe ich wichtige Dinge in Mogadischu zu erledigen. Ich habe dort einen Freund zurücklassen müssen.«
    »In einem britischen Hafen? Das sollte dann doch für ihn kein Problem sein.«
    »Einen Freund von Miss Barthes. Ein Mann von der Mauer.«
    »Ah.« Leung fügte etwas auf Chinesisch hinzu.
    »Sie müssen mir dieses Katzengejaule unbedingt mal beibringen, wenn ich an Bord dieses Schiffs Aufgaben übernehmen soll.«
    Der Kapitän wirkte überrascht. »Und wie soll das funktionieren?«
    »Sie haben gerade einen Ihrer besten Bootsleute in einem Ruderboot aufs Meer hinausgeschickt, Kapitän. Und diese Heiden haben die Hälfte Ihrer Männer abgeschlachtet. Die Five Lucky Winds hat zu wenige Männer und in der gesamten nördlichen Welt keinen sicheren Hafen, den sie anlaufen könnte; so sieht’s zumindest im Moment aus. Ich werde den Dienst hier aufnehmen, wenn Sie mich akzeptieren.«
    Leung lachte, kurz und verbittert. »Lassen Sie uns unter Deck gehen«, sagte er, »und mit der Maske Childress sprechen. Ich glaube, sie ist bei den Köchen und tut, was sie kann, für die Verwundeten und die Toten.«
    Al-Wazir sah ein letztes Mal nach Süden. In der munteren Dünung und der hoch aufragenden Masse der Mauer war die Barkasse schon nicht mehr zu erkennen.
    »Lebwohl, Kleine. Ich werde nach deinem Messingmann suchen und mich drum kümmern, dass es ihm gut geht – und er frei ist.«
    Dann machte er sich auf die Suche nach der Engländerin.
    Childress
    Sie sah sich um und erkannte, dass niemand mehr zu waschen war. Die Toten verdienten es, sauber dem Meer übergeben zu werden. Sie hatte ihre Gesichter ihrer ars memoriae hinzugefügt, um sie in ihrem Herzen zu ehren.
    Im Durchgang stapelten sich die Leichen. Vierzehn Matrosen lagen dort wie
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