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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
Autoren: Jay Lake
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er mit vollem Mund, dem weißes Brot gänzlich unbekannt war, »dass Sie hier arbeiten? Ich dachte immer, nur Männer dürften nach Yale.«
    Bibliothekarin Childress warf ihm einen unzufriedenen Blick zu, der aber rasch wieder verschwand. »Gott schuf die Frauen, um Kinder zu gebären. Das kannst du jeden Mann fragen. Intelligente Frauen gibt es nur, um intelligente Söhne zu zeugen. Ansonsten haben sie den Mund zu halten. Sagen wir einfach, dass ich kein Interesse daran hatte, intelligente Söhne in die Welt zu setzen.«
    »Aber wie haben Sie ...«
    »Lass uns davon ausgehen, dass auch deine Mutter kein Interesse daran gehabt hat, intelligente Söhne zu bekommen.«
    Hethor verstummte und kaute auf Gurke und hellem Brot. Nach ein paar Augenblicken schluckte er den Bissen hinunter und sagte: »Ich bitte um Entschuldigung, Madam.«
    Sie überraschte ihn, als sie antwortete: »Entschuldigung angenommen.«
    Eine kleine Silberglocke über der Tür klingelte. Hethor sah auf und entdeckte mehrere Glockenreihen, die durch Ketten, die in der Wand verschwanden, zum Läuten gebracht wurden.
    »Sie sind gestimmt«, sagte Bibliothekarin Childress. »Jeder Ton hat seine eigene Bedeutung. Folge mir bitte.«
    Sie führte ihn in den Lesesaal zurück und deutete auf eine Leiter, die an den höchsten Regalen vorbei auf einer Schiene lief. »Siehst du die Nische da oben? Klettere hinein und bleib reglos wie eine Statue. Wenn du dich an die Holzvertäfelung hinter dir lehnst, wird dich von hier unten niemand sehen.«
    Hethor kletterte hinauf und spürte, wie eine ungewohnte Aufregung Besitz von ihm ergriff. Staub bedeckte die Nische, und hier und da lagen Mäusekot und Holzsplitter. Es roch nach Schimmel. Irgendwie war die Anwesenheit von Mäusen in Yale beruhigend; zugleich machte Hethor sich Sorgen, wie nahe die kleinen Nager all den kostbaren Büchern waren.
    Er lehnte sich zurück und konnte gegenüber nur ein Regal sehen sowie ein paar Fenster zu seiner Rechten, durch die die nachmittäglichen Sonnenstrahlen fielen. Einen Moment später knarrte eine Tür. Hatte Bibliothekarin Childress sie geschlossen, als sie den Raum verlassen hatte und er hinaufgeklettert war?
    Dann aber schallte die Stimme der Bibliothekarin zu ihm herauf. Sie klang sehr förmlich. »Vielen Dank, dass Sie sich so kurzfristig Zeit für mich genommen haben, Mister Bodean.«
    »Es ist mir ein Vergnügen, Madam.« Hethor bemerkte mit einer gewissen Schadenfreude, dass Pryce gegenüber Mrs. Childress weniger selbstbewusst und überheblich klang, als es bei ihm der Fall gewesen war. »Äh ... Ihre Mitteilung deutete an, dass Sie im Auftrag von Dekan Holliday sprechen?«
    »In der Tat. Er hat Gerüchte über eine Reihe von ... nun, nennen wir sie ›Erscheinungen in New Haven‹ untersuchen lassen. Mir wurden verschiedene Aufgaben übertragen, die das Büro des Dekans vor kleingeistigen Anschuldigungen bewahren sollen.«
    »Anschuldigungen, die wir Rationalhumanisten vorbringen könnten?« Pryces Stimme troff nur so vor gespielter Fröhlichkeit.
    »So ist es.« Childress hielt kurz inne, vielleicht aus Diskretion. »Ich habe gehört, dass heute etwas von möglicherweise großer Bedeutung von einem Handwerker an Sie übergeben wurde. Eine Art kleiner ... Gegenstand.«
    Hethor war entsetzt, wie Bibliothekarin Childress’ Stimme von ihrer normalerweise scharfzüngigen Präzision zu jener Art lautstarker Prahlerei wechselte, die für Studenten so typisch war. Hethor fragte sich, ob Pryce bemerkte, dass sie sich über ihn lustig machte.
    »Tut mir leid, ich weiß wirklich nicht, was ...«
    Childress schnitt Pryce barsch das Wort ab und setzte diesmal ihre scharfsinnige Bibliothekarstimme ein. »Was Sie nicht wissen, würde diesen Raum sprengen, Mister Bodean, aber tun Sie uns beiden den Gefallen, kein Unwissen in der Sache vorzutäuschen, die ich angesprochen habe. Meine Informationen sind verlässlich und wesentlich umfassender als Ihre. Ich muss diesen Gegenstand untersuchen. Wenn er sich in Ihrem Besitz befindet, werde ich ihn anschließend gerne an Sie zurückgeben.«
    »Ich bin tatsächlich im Besitz eines solchen ... ähem, Gegenstands«, sagte Pryce. Er klang wütend. »Er ge-gehört meinem Vater, Meister Bodean, dem Uhrmacher. Ich war gerade dabei, ihn zurückzugeben.«
    Hethor klangen die Ohren. Schamesröte stieg ihm ins Gesicht. Pryce hatte Bibliothekarin Childress soeben erklärt, dass er ein Dieb sei – die Sorte Lehrling, die ihren Meister beraubte. Hethor
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