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Die Rache. Thriller.

Die Rache. Thriller.

Titel: Die Rache. Thriller.
Autoren: John Katzenbach
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öffnete sie die Haustür und rief: »Hallo, ihr Mädchen! Ich bin zurück!«
    Unverkennbare Telefoniergeräusche tönten ihr entgegen.
    Momentan packte sie eine oft erlebte Unruhe. Ich wünschte, Tommy wäre schon hier, dachte sie. Ich bin so beunruhigt, wenn er unterwegs ist und ich ihn nicht in die Arme nehmen kann, auch wenn er sich beschwert, ich würde ihn viel zu stark drücken. Sie entspannte sich langsam und hörte, wie ein Wagen die Straße entlangfuhr.
    Das sind sie wohl, dachte sie erleichtert und ärgerte sich gleichzeitig über ihre Unruhe.
    Sie hängte den Regenmantel auf und schlüpfte aus ihren Schuhen. Dabei sagte sie sich: Eigentlich will ich es gar nicht anders haben, als es jetzt ist. Kein bißchen, trotz aller Sorgen mit Tommy. Eigentlich geht es uns doch richtig gut.
    Richter Thomas Pearson ging gemessenen Schrittes den Schulflur hinunter. Gerade läutete es zum Schulschluß. An beiden Seiten sprangen Türen auf, bald waren Flur und Eingangshalle voller Kinder. Ein fröhliches Irrenhaus, Schreien, Lachen, ein bunter Wirrwarr von Jungen und Mädchen, die nach Turnbeuteln, Regenmänteln oder Schultaschen suchten. Sie wichen zur Seite, um ihm Platz zu machen, und gleich hinter ihm schloß sich die Menge wieder. Drei Jungen liefen ungestüm an ihm vorbei und schleiften ihre Mäntel hinter sich her. Er sprang zur Seite und stieß mit einem kleinen rothaarigen Mädchen zusammen, dessen Haar mit Schleifen zu Rattenschwänzen gebunden war. »Entschuldigung!« sagte sie in der Manier des wohlerzogenen Kindes. Er trat zurück, machte eine tiefe Verbeugung, und das Mädchen brach in Lachen aus.
    Er fühlte sich wie in einer wild tobenden Brandung bei schönem Wetter im Sommer. Ein paar bekannten Kindern winkte er zu, lachte andere an und hoffte, damit den Ernst seiner Erscheinung ein wenig den leuchtenden Farben der Kinderkleidung und der fröhlichen Atmosphäre anzupassen. Nach längerem Schieben und behutsamem Gehen durch die wilde Menge kam er in die Nähe von Tommys Klasse und bewegte sich zur Tür. Außen war ein großer bunter Luftballon aufgemalt. Daneben hing ein Schild mit der Aufschrift Sonderschulbereich A. Pearson nahm die Türklinke in die Hand. Er war voller Vorfreude, seinen Enkel zu sehen, durch den er immer viel jünger wurde, dessen Gesellschaft sein Alter bereicherte.
    Plötzlich öffnete sich die Tür von selbst. Pearson wartete einen Augenblick und sah, wie langsam ein Büschel brauner Haare, eine Stirn und schließlich ein blaues Augenpaar zum Vorschein kamen. Eine Sekunde blickte er auf die Augen, dann sah er seine verstorbene Frau vor sich, dann seine Tochter, und dann erst nahm er endlich seinen Enkel wahr.
    »Hallo, Großvater! Ich wußte, daß du da bist!«
    »Hallo, Tommy, ich wußte auch, daß du da bist.«
    »Ich bin gleich fertig, kann ich eben noch mein Bild zu Ende malen?«
    »Aber gern, Tommy.«
    »Willst du zugucken?«
    »Wenn du das möchtest.«
    Der Richter fühlte, wie der Enkel nach seiner Hand faßte, und dachte bei sich, wie kräftig doch der Griff einer Kinderhand sein konnte. Sie halten intensiv am Leben fest, nur wir Erwachsenen gehen leichtfertig damit um. Er ließ sich in den Klassenraum ziehen und nickte Tommys Lehrerin zu, die ihn mit einem Lächeln begrüßte.
    »Er möchte die Zeichnung fertigmachen«, gab Richter Pearson ihr zu verstehen.
    »Schön. Macht es Ihnen nichts aus zu warten?«
    »Keineswegs.«
    Der Enkel hatte seine Hand losgelassen und hatte sich an einen langen Tisch gesetzt. Es saßen noch ein paar andere Kinder dort, die ebenfalls zeichneten. Sie schienen alle ganz von ihrer Arbeit in Anspruch genommen. Tommy nahm einen roten Stift und malte große Striche auf das Blatt.
    »Was malst du denn da?«
    »Brennende Blätter. Das Feuer breitet sich über den ganzen Wald aus.«
    »Oh.« Er wußte nicht, was er sonst hätte sagen sollen.
    »Manchmal ist es schon ganz schön beunruhigend.«
    Er wandte sich um. Tommys Lehrerin stand hinter ihm.
    »Was sagten Sie eben?«
    »Manchmal bringt’s mich aus der Fassung. Ich lasse die Kinder malen oder gebe ihnen sonst eine künstlerische Beschäftigung. Und was tun sie? Sie zeichnen brennende Häuser, malen Erdbeben und Schlachten, die eine ganze Stadt verwüsten. Einer von den anderen hat letzte Woche so etwas gemalt. Sehr genau, ungeheuer fleißig. Detailge-treu. Mit Menschen, die in Abgründe fallen.«
    »Ein wenig …« Er zögerte.
    »Makaber wollen Sie sagen? Allerdings. Die meisten Kinder in
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