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Die Rache. Thriller.

Die Rache. Thriller.

Titel: Die Rache. Thriller.
Autoren: John Katzenbach
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immer, wenn sie daran erinnert wurde, traten ihr Tränen in die Augen, aber sie sagte sich leicht ironisch: Was soll’s, Megan, du hast nun wirklich schon genug darüber geheult. Und außerdem entwickelt er sich doch zum Besseren. Er ist schon fast wie jeder normale Junge.
    Ihr fiel plötzlich die Zeit ein, als sie ihren Sohn zur Welt gebracht hatte. Bereits im Kreißsaal war ihr klar geworden, daß er anders war als die Zwillinge, die mit ihrem schulbuchmäßigen Verhalten bezüglich ihrer Mahl- und Schlafzeiten, später dann in der Schule und auch während der Pubertät so wenig zu Sorgen Anlaß boten. Sie hatte auf das winzige, zappelnde Bündel geblickt, das instinktmäßig nach ihrer Brustwarze suchte, und plötzlich gewußt, daß sie mit diesem kleinen Jungen immer wieder Kummer und Mühe haben würde. Megan stieg aus dem Wagen und zwängte sich durchs Gebüsch. Sie zog das Fahrrad aus dem feuchten Laub und fluchte leise, als ihr Rock mit Schlamm bespritzt wurde. Mit einer Hand hielt sie die Lenkstange, drückte mit dem Fuß den Ständer nach unten und achtete darauf, daß nicht auch noch der Schuh verschmiert wurde. Dann ließ sie das Rad auf dem Gehweg stehen und dachte bei sich:
    So schwierig er auch ist, ich habe ihn nur um so lieber.
    Sie lächelte. Ich habe immer gewußt, daß dies am besten helfen würde, ihn einfach trotz aller Probleme immer liebzuhaben. Sie blickte auf das Fahrrad. Und ich habe recht behalten, sagte sie sich.
    Die Ärzte hatten ihre Diagnosen ständig gewechselt, von Autismus über kindliche Schizophrenie und Lernschwäche bis zu Man-muß-eben-abwarten-und-beobachten. Irgendwie war sie stolz darauf, daß er sich in keine dieser Kategorien einordnen ließ, sondern durch sein Wesen zeigte, daß die Ansichten der Experten entweder falsch oder oberflächlich waren. Es war so, als hätte er einen Dreck auf die Meinungen der Arzte gegeben und einfach seinen Weg genommen, ohne sich um die Einstellung seiner Umwelt zu kümmern.
    Das war nicht immer ganz einfach gewesen, aber sie war stolz darauf.
    Sie drehte sich um und blickte auf ihr Haus. Es wirkte gediegen, war noch nicht alt und befand sich im besten Viertel von Greenfield. Es besaß einen Vorgarten, war zwar nicht das größte, aber auch nicht das kleinste Haus der Straße. Auf dem Rasen stand eine riesige Eiche, und sie erinnerte sich, wie die Zwillinge vor einem halben Dutzend Jahren eine Reifenschaukel drangehängt hatten, eigentlich weniger, um selbst darin zu schaukeln, als um die Nachbarkinder anzuziehen und so Spielkameraden zu gewinnen. Der Reifen hing noch immer da. Tommy hatte dort endlos geschaukelt, vor und zurück, vor und zurück, Stunde um Stunde, uninteressiert an anderen Kindern, am Wind, Regen oder Schnee, immer wieder streckte er seine Beine nach vorn, lehnte sich zurück und blickte mit weitaufgerissenen Augen in den Himmel.
    Diese Dinge erschrecken mich heute nicht mehr, dachte Megan. Sie konnte auch nicht mehr über seine Absonderlichkeiten in Tränen ausbrechen. Als er zum Beispiel zwei Stunden lang seine Zähne geputzt hatte. Oder als er drei Tage nichts aß. Oder als er eine ganze Woche nicht gesprochen hatte, oder als er einfach nicht schlief, weil er so viel zu sagen hatte, daß er mit der Sprache nicht nachkam.
    Sie schaute auf die Uhr. Bald würde er zu Hause sein.
    Sie würde ihm eine Rindfleischbrühe kochen und eine Pizza backen, das mochte er am liebsten. Außerdem konnten sie den Verkauf des Halliday-Hauses mit Pfirsicheis feiern. Während sie das Essen plante, überlegte sie, wieviel Maklergebühr ihr der Verkauf eingebracht hatte.
    Wohl genug für eine Woche Urlaub im Disney-Land in diesem Winter. Das würde Tommy Spaß machen. Die Mädchen würden sich zwar beschweren, das sei etwas für Kleinkinder, die Zeit aber dann in vollen Zügen genießen.
    Duncan würde das Programm insgeheim auch Spaß machen, und sie selbst konnte am Pool sitzen und sich sonnen. Warum also nicht?
    Megan schaute die Straße hinunter, ob sie vielleicht schon den Wagen ihres Vaters erkennen konnte, und war von Dank erfüllt. Dreimal in der Woche holte ihr pensionierter Vater Tommy in seiner neuen Schule ab. So brauchte er nur zweimal mit dem Bus zu fahren. Sie schätzte es, wie ihr alter Vater es schaffte, Tommy zu beschäftigen. Sie tobten durchs Haus, redeten, was das Zeug hielt, und erfanden die tollsten Geschichten über die Schule. Meine beiden Tommys, dachte sie liebevoll. Ihr seid euch ähnlicher, als ihr wißt. Dann
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