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Die Rache. Thriller.

Die Rache. Thriller.

Titel: Die Rache. Thriller.
Autoren: John Katzenbach
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unserer Abteilung haben so unkontrollierbare Gefühle, daß wir alles fördern, was sie näher an die Dinge heranführt, vor denen sie sich fürchten. Eine ziemlich einfache Methode.«
    Richter Pearson nickte. »Sicher mögen Sie lieber Bilder mit Blumen und Bäumen.«
    »Das wäre mal was anderes«, sagte die Lehrerin lächelnd. Dann fügte sie hinzu: »Könnten Sie Mr. und Mrs. Richards bitten, mich anzurufen, damit wir einen Termin vereinbaren können?«
    Der Richter blickte zu Tommy, der intensiv mit seinem Bild beschäftigt war, und fragte: »Stimmt etwas nicht?«
    Die Lehrerin lächelte: »Wir Menschen nehmen immer das Schlimmste an. Im Gegenteil. Er hat große Fortschritte gemacht diesen Herbst, genau wie schon im Sommer.
    Nach den Weihnachtsferien würde ich ihn gerne für ein paar Stunden in eine reguläre Klasse schicken.« Nach einer Pause setzte sie hinzu: »Natürlich bleibt das hier immer noch seine Klasse, und sicher gibt es auch hier und da ein paar Rückfälle. Aber wir haben uns überlegt, daß man ihn mehr fordern muß. Er ist wirklich sehr intelligent, nur wenn er enttäuscht wird, dann …«
    »…verliert er vollkommen die Selbstbeherrschung«, beendete der Richter ihren Satz.
    »Ja, daran hat sich leider nichts geändert. Er kann immer noch ziemlich in Rage geraten. Andererseits ist es Wochen her, seit er eine seiner Absencen hatte.«
    »Ja, ich weiß«, sagte der Richter. Er erinnerte sich noch genau an das erste Mal, an dem sein Enkel, damals noch ein Kleinkind, plötzlich ins Leere geblickt hatte und seine ganze Umgebung vergessen zu haben schien. Stundenlang war er in diesem Zustand verblieben, schlief nicht, redete nicht, weinte nicht und atmete kaum. Es war, als wäre er an einem ganz anderen Ort. Nach ein paar Stunden kehrte er ins Leben zurück, so, als wäre nichts geschehen.
    Pearson sah zu Tommy hinüber, der gerade dicke Streifen von hellem Orange über den Himmel malte. Wenn du wüßtest, in welche Angst du uns versetzt hast! Wo bist du nur, wenn du so auf Reisen gehst? Vielleicht an einem besseren Ort als unserem, dachte er.
    »Gut, ich sage ihnen Bescheid wegen des Termins. Sie rufen dann gleich bei Ihnen an. Das sind ja wirklich erfreuliche Neuigkeiten für meine Tochter.«
    »Wir müssen alle fest die Daumen halten.«
    Sie verließen die Schule durchs Hauptportal. Einen Moment wunderte sich der Richter, wie schnell sich das Gewimmel nach Schulschluß aufgelöst hatte. Nur wenige Wagen standen noch auf dem Parkplatz. Ein kalter Luftzug drang durch Pearsons Mantel. Ihn fröstelte, und er knöpfte sich den Mantel zu. »Tommy, mach die Jacke zu! Meine alten Knochen spüren den Winter.«
    »Großvater, was soll das heißen, alte Knochen?«
    »Das ist so: Du hast noch junge Knochen, die noch wachsen und immer größer und kräftiger werden. Meine Knochen sind alt und müde, weil sie schon so lange in Betrieb sind.«
    »Noch nicht so lange.«
    »Doch, schon fast einundsiebzig Jahre lang!«
    Tommy dachte eine Weile nach. »Ja, das ist viel. Halten meine Knochen auch so lange?«
    »Wahrscheinlich noch länger.«
    »Aber wie kannst du mit den Knochen etwas spüren? Ich fühle den Wind im Gesicht und an den Händen, aber nichts in den Knochen. Wie machst du das?«
    Der Richter lachte. »Du mußt noch ein bißchen warten. Wenn du älter wirst, lernst du es.«
    »Ich mag das nicht.«
    »Was magst du nicht?«
    »Daß immer alle sagen, daß ich noch warten muß. Ich will es doch jetzt wissen!«
    Pearson nahm Tommys Hand. »Du hast vollkommen recht. Wenn du etwas lernen willst, laß dir nie sagen, du mußt warten. Mach dich einfach selbst dran und lerne es.«
    »Und die Knochen?«
    »Weißt du, das ist nur so eine Redensart. Verstehst du, was das ist?«
    Tommy nickte.
    »Es bedeutet, daß die Knochen, wenn man älter wird, brüchig werden. Es ist einfach nicht mehr so viel Leben drin, wie wenn man jung ist. Wenn also ein kalter Wind weht, fühle ich die Kälte besonders stark. Das tut nicht weh, aber ich merke es deutlicher. Verstehst du?«
    »Ich glaube, ja.« Ein paar Meter ging der Junge schweigend neben seinem Großvater her. »Man muß viel lernen«, sagte er dann und tat einen tiefen Seufzer.
    Sein Großvater war drauf und dran, wegen dieser Bemerkung laut aufzulachen, statt dessen aber nahm er den Jungen fester an die Hand und ging mit ihm zum Auto.
    Gleich neben seinem Wagen parkte ein alter Ford Sedan, und als sie näher kamen, stieg eine Frau mittleren Alters aus der hinteren
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