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Die Rache. Thriller.

Die Rache. Thriller.

Titel: Die Rache. Thriller.
Autoren: John Katzenbach
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sie gemeinsam; zwei laute Schüsse hallten durch die stille Luft des plötzlich herein-gebrochenen Winters und schlossen für immer die Tür zu ihrer Kindheit, ihrer kindlichen Unschuld und den naiven Träumen der Jugend.
    Der doppelte Schlag hob Olivia Barrow hoch und warf sie zurück auf den kalten Boden. Der Ranzen mit dem zweimal geraubten Geld wurde ihr von der Gewalt der Schüsse aus der Hand gerissen, beiseite geschleudert und flog durch die Luft. Sie spürte, daß ihr wie von einer mächtigen Kraft die Waffe aus der Faust geschlagen wurde. Sie konnte den Himmel über sich sehen, wie er schwindelerregend zu wirbeln begann, und sie konnte ihren Atem in ihrer zerschossenen Brust rasseln hören. Die Kälte des Bodens schien in sie einzudringen und sie einzuhüllen wie eine unerwünschte Umarmung. Es fröstelte sie tief in ihrem Innern. Sie erinnerte sich an die Augen ihrer Geliebten aus einer anderen Zeit, als Emily von der staubigen Straße sterbend zu ihr aufgeblickt hatte.
    Aber es ist alles falsch, dachte sie. Alles falsch. Nein, ich habe es geschafft. Ich bin frei.
    Dann schwand ihr endgültig das Bewußtsein, und sie war tot.
    Die beiden Schüsse aus den Waffen der Zwillinge drangen durch die eisige Luft an Tommys Ohren und schreckten ihn aus der Umarmung seiner Mutter hoch. Er sprang durchs Zimmer zum Fenster hin, starrte über die Splitter der zertrümmerten Scheibe hinweg, über das Dach und über das Feld hinunter auf den Wald. Einen Augenblick lang hatte er Mühe, seine Schwestern zu erkennen; ihre Tarnanzüge verschmolzen mit den Braun- und Grautönen des Waldrands. Aber dann sah er sie; sie standen beide stockstill, wie erfroren im Morgenlicht.
    Während er noch schaute, wurden sie lebendig und kamen aus dem Wald heraus. Wie ein erschrockenes Paar Rehe rannten sie über das Feld und stürmten zum Haus hinauf.
    Tommy konnte sehen, daß keine der beiden den hingestreckten Körper ansah, als sie daran vorbeiliefen.
    Hinter sich hörte er seine Mutter durch den Schutt und die Trümmer im Zimmer krabbeln. Sie redete mit sich selbst. »Verdammt, wo ist das Telefon? Wo ist bloß das Telefon?« Es war ein harter Klang in ihrer Stimme, den er noch nie gehört hatte. »Tommy! Wo ist ein Telefon?«
    schrie sie los. Er sah nur einen Augenblick vom Fenster weg und bemerkte, daß sie das Telefon in einer Ecke unter einem Nachttisch entdeckt hatte. Sie wählte eilig eine Nummer.
    Er kehrte zum Fenster zurück und sah, wie Karen und Lauren zum Haus heraufgestürmt kamen und ihren Vater umarmten. Tommy beugte sich hinaus und winkte, aber er sagte nichts. Sie sahen ihn nicht, aber das war ihm gleich, statt dessen kam ein großes, wildes Gefühl in ihm auf, das er nicht in Worte fassen konnte, aber das sein Inneres völlig veränderte, wie ein elektrischer Strom, der ihn hochhob und ihn an das Gefühl erinnerte, das er am Weihnachtsmorgen hatte, wenn er den Schlaf abschüttelte und aus dem Bett sprang. Er konnte die Zwillinge sehen, wie sie Vaters Arme um sich legten und ihm halfen, zum Haus zu gehen. Da wollte er zu ihnen laufen und mithel-fen.
    Seine Mutter hatte inzwischen die Nummer zu Ende gewählt, und er hörte sie eine Adresse angeben und sagen:
    »Bitte, schicken Sie augenblicklich Hilfe her. Krankenwagen. Schußwunden. Bitte, beeilen Sie sich.« Ihre Stimme klang verstört.
    Bei diesen Worten drang etwas Dunkles und Schreckliches in sein Herz. Eine Sekunde lang fühlte er die ganze Wärme und Freude von sich wegfließen, und eine schwindelerregende Dunkelheit überkam ihn. Er japste nach Luft, wandte sich jäh vom Fenster ab und rannte an seiner Mutter vorbei, während sie weiter in das Telefon sprach und ihre Bitte um Hilfe wiederholte. Als er vorbeirannte, streckte sie die Hand nach ihm aus, dann zog sie sie zurück und ließ ihn laufen. »Bitte, beeilen Sie sich«, hörte er sie sagen, aber dann jagte er den Korridor hinunter, zurück zu der Dachkammer, in der man ihn gefangengehalten hatte. Er wand sich an den Trümmern vorbei und stieß den Wirrwarr des Bettzeugs beiseite, der in der Türöffnung lag. Dann sprang er, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf und dachte an nichts als an die Angst, die ihn bedrückte.
    Der Richter hatte den Oberkörper aufgerichtet und saß mit dem Rücken an eine Wand gelehnt da. Aber seine Augen waren geschlossen, und sein Atem war flach und mühevoll. Der Junge schnappte nach Luft, als er die Wunden des alten Mannes sah. Er wollte sich auf seinen
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