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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers
Autoren: Gisbert Haefs
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Straßen am Rhein, am Ufer … Wann wären hier keine Fremden unterwegs? Wie die, mit denen du gereist bist.«
    »Wie diese. Meine Freunde. Fünf Jahre haben sie mich genährt und geschützt und ausgebildet … Aber davon später.«
    Ich nahm etwas Brot, wischte das Messer an meinem Jakkenärmel ab und bediente mich aus dem Schmalztopf. Ohm Krischan wartete, bis ich abgebissen hatte; dann begann auch er zu essen.
    »Noch etwas?« sagte er mit vollem Mund.
    »Sie sind also von irgendwoher gekommen, wahrscheinlich von weiter fort. Sie haben sich in unserem Dorf getroffen und alles ermordet und zerstört. Sind noch andere Dörfer überfallen worden?«
    Haidlaub schüttelte den Kopf; seine scharfen Augen bohrten sich in meine. »Wir nähern uns«, sagte er. »Weiter?«
    »Wenn sie also von weither gekommen sind, um nur unser Dorf zu überfallen, kann es kein Zufall gewesen sein. Nicht
zufälliges Morden und Brennen, weil das Dorf eben so am Weg lag. Es war eine geplante und gezielte Tat.«
    »So sieht es aus.«
    »Soldaten, wenn sie so etwas tun, haben einen Auftrag. Der Auftrag wird nicht gelautet haben: Reitet oder marschiert zu diesem Dorf und bringt alle um.«
    »Sondern?«
    »Vielleicht so: Es gibt da ein Dorf, in dem bestimmte Leute leben, die beseitigt werden müssen. Damit es nicht so sehr auffällt, und damit keine Zeugen bleiben, die euch später dieser Tat bezichtigen können, bringt alle um und plündert. Was meinst du?«
    Haidlaub legte das Brot auf sein Eßbrett. »Ich fürchte, so ähnlich ist es gewesen. Aber damit sind deine Fragen nicht beantwortet, oder?«
    Ich beugte mich vor und sagte leise, durch die Zähne: »In dem Dorf haben Bauern und ihre Familien gelebt. Niemand, der irgendwem in weiter Ferne etwas hätte tun können. Es gab dort, außer den Bauern, nur das Gutshaus des Grafen, der nicht da war. Und es gab … uns. Meinen Vater, unsere Familie.«
    Ohm Krischan nickte.
    »Was hat mein Vater getan, ehe wir in das Dorf gezogen … geflohen sind? Mit Erlaubnis des Grafen oder ohne sein Wissen? Was hat der Graf getan, daß Soldaten aus der Ferne kommen und alles niedermachen? Was weißt du, Ohm?«
    Er wich meinem Blick nicht aus. »Ich weiß nichts«, sagte er. »Oder nicht viel. Dein Vater hat für den Grafen gearbeitet - daran wirst du dich wohl erinnern. Auch wenn du jung warst und keine Einzelheiten erfahren hast, nicht wahr?«
    »Ich weiß, daß mein Vater die Geschäfte des Grafen betreut hat. Er mußte oft reisen, damals.«

    »Weißt du, wohin er gereist ist?«
    »In die Städte der Kurfürsten - Köln, Mainz, Trier«, sagte ich. »Ich weiß, daß er in Frankfurt war, in Luxemburg, aber er ist auch nach Brandenburg gereist und nach Bayern, nach Frankreich und Flandern und Burgund. Hilft uns das?«
    Haidlaub griff wieder nach seinem Brot und biß ein großes Stück ab. »Städte und Lande«, sagte er, »in denen Geschäfte gemacht werden. In denen auch Staatsgeschäfte gemacht werden. Die man oft nicht von den anderen trennen kann.«
    »Kann man sie je von den anderen trennen? Bedingen beide Arten des Geschäfts nicht einander?«
    Haidlaub versuchte, gleichzeitig zu kauen und zu lächeln. »Ich bin nur ein alter Amtmann. Ich sorge im Auftrag des Rats für die Ordnung in Koblenz, und manchmal muß ich mich mit dem anderen Amtmann, dem Schultheiß, den der Trierer in die Burg gesetzt hat, ein wenig balgen, weil die Anliegen des Bischofs und Kurfürsten nicht immer die gleichen sind wie die des Rats. Ich nehme an, das ist in Köln und Frankfurt und Dijon und Paris nicht anders. Mehr weiß ich nicht von Staatsgeschäften.«
    »Die Kurfürsten, die den Kaiser wählen?« sagte ich. »Köln, Mainz, Trier? Gewählt wird er in Frankfurt. Brandenburg und Sachsen sind auch kurfürstliche Häuser. Dijon, sagst du, und Paris? Kann es …«
    Er hob die Hände. »Leg mir nichts in den Mund, Junge. Ich weiß nicht, was dein Vater hier, da und dort für den Grafen zu erledigen hatte. Was die Anliegen des Grafen waren.«
    »Wo finde ich ihn? Den Grafen, meine ich. Glaubst du, er wird bereit sein, mir etwas zu sagen?«
    Haidlaub schüttelte den Kopf. »Du würdest bestenfalls
zum Hofmeister gelangen, vielleicht zum Kämmerer. Außerdem« - er seufzte - »wird der jetzige Graf nicht viel wissen von dem, was sein Vater und dein Vater unternommen haben. Er ist noch jünger als du.«
    »Heißt das, der Graf ist gestorben?«
    »Vor fünf Jahren.« Ohm Krischan sagte es wie nebenher, ohne besondere Betonung. »Im
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