Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
der bessere? Oder zwei Männer schleudern Gedanken an eine Felswand, und der hat gesiegt,
dessen Gedanken den tieferen Eindruck im Stein hinterlassen?«
    Haidlaub verzog das Gesicht. »Redet ein kluger Mann mit anderen klugen Männern? Oder beobachtet er schweigend?«
    »Er redet mit ihnen, und ich habe keinen gehört, der mehr gewußt hätte als er.«
    »Du warst also dabei?«
    »Nicht immer, aber oft. Ich war ja auch Dolmetsch, wenn es nötig war. Und - ja, er ist reich, und er hat Zahlungsanweisungen, Gutschriften, für die meisten großen Banken. Außerdem hat er Reisebriefe, in denen Fürsten und Amtsleute ersucht werden, ihn vorzüglich und mit Achtung zu behandeln. Ihn und seine Begleiter.«
    »Von wem ausgestellt?«
    Ich hob die Schultern. »Ich habe nicht alle gesehen. Ich weiß, er hat solche Briefe von Papst Leo, vom Dogen, vom Herzog von Ferrara - ah, du weißt schon: von einem Bischof in Palermo an einen Domherrn in Frauenburg, von einem adligen Magister in Bologna die Bitte an einen Magister zu Köln, sich des weitgereisten Freundes anzunehmen.«
    »Wolltest du mit dem Schultheiß des Bischofs reden?« Die jähe Abschweifung ließ mich ein paar Augenblicke zögern. »Es wäre vielleicht sinnvoll, oder?« sagte ich dann.
    »Es wäre gefährlich«, sagte Haidlaub. »Mein Amtsbruder in der Burg und sein geistlicher Herr halten nicht viel von heidnischen Fremden. Und du weißt vielleicht, daß in anderen Gegenden die Bauern aufbegehren; da ist dann jeder Fremde, der vielleicht Bauernbotschaften überbringen könnte, schnell in den Kerker gesteckt.«
    Ich leerte meinen Becher und erhob mich. »Ich danke dir für die Warnung - und für alles andere, Ohm«, sagte ich.
»Ich werde den Schultheiß zu meiden suchen. Und im Gasthaus nicht laut reden.«
    Haidlaub erhob sich ebenfalls. Seine Hand tastete nach etwas in einem Kästchen, das neben ihm auf einer hohen Truhe stand; dabei sah er mich forschend an.
    »Du willst also einen langen Rachefeldzug beginnen?« sagte er. »Dazu wirst du Hilfe brauchen. Und Geld.«
    »Ist das Dorf wieder aufgebaut worden?«
    Er schüttelte den Kopf. »Bauern aus der Umgebung werden wohl Steine und heile Balken geholt haben. Aber niemand will da leben, wo so viele Menschen ohne Segen abgeschlachtet wurden. Warum?«
    »Mein Vater hatte etwas verborgen, was ich damals nicht bergen konnte. Wenn niemand sich dort aufhält …«
    »Ich wünsche dir Glück, Söhnchen. Die Fährte ist kalt; vielleicht hilft dir aber ein kleiner Glücksbringer.«
    Er zog die geballte Hand aus dem Kästchen und hielt sie mir hin. Ich streckte die Hand so aus, daß meine Handfläche unter seiner Faust schwebte. Er öffnete sie und ließ etwas Kaltes in meine Hand gleiten.
    Ich betrachtete es. Und fühlte eisige Finger an meinem Herzen.
    »Das ist …«, sagte ich; dann versagte mir die Stimme.
    Es war eine feine Silberkette mit einem silbernen Kreuz, ohne den Leib des Herrn. Auf der Rückseite waren ein G und ein S eingeritzt, ineinander verschlungen.
    »Ich habe gefragt, hier und da«, sagte Ohm Krischan. »Wochen nachdem du abgereist warst kam ein Händler auf den Markt, ein Mann aus Cochem, und zeigte mir das. Ich habe es ihm abgekauft.«
    Die Kette hatte meine Mutter an Festtagen getragen. Vater hatte sie ihr zu meiner Geburt geschenkt.

    »G und S, Gerwine Spengler«, sagte Haidlaub leise. »Ein Mann, dessen linke Hand aus Eisen war, hat sie in Cochem verkauft.«
    »Was … was schulde ich dir? Du hast sie ja bezahlt.«
    »Du schuldest mir nichts, Junge.« Er legte mir beide Hände auf die Schultern und starrte mir in die Augen. »Bleib gesund, hörst du? Und bedenke, daß die Rache des Herrn ist, wenn du sie vollziehst. Gib mir Nachricht.«
    Der Schmuck meiner Mutter. Ein Händler aus Cochem. Ein Mann mit Eisenhand. Ein Gegenstand und zwei Mitteilungen. Während ich langsam durch die kaum beleuchteten Gassen zum Wirtshaus ging, tanzten diese drei wie Teilnehmer eines regellosen Reigens durch meine Gedanken.

DREI
    K assem, Jorgo und Avram saßen in der Schankstube des Gasthauses - Schankhalle wäre treffender. Sie bot mindestens fünf Dutzend Leuten Platz; etwa die Hälfte der Stühle war besetzt.
    Jorgo schob sein von unansehnlichen Resten bedecktes Eßbrett in die Tischmitte, lehnte den Kopf an den Tragbalken, hob den Becher und sah mich über dessen Rand an. Dabei kniff er ein Auge zu.
    »Du siehst aus, als hätten dir die Geister der Ahnen die Dämmerung durch Spottgesänge verfinstert«, sagte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher