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Die Rache Der Wanderhure

Die Rache Der Wanderhure

Titel: Die Rache Der Wanderhure
Autoren: Iny Lorentz
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Geister durch einen Exorzismus austreiben, »quae superbissimum caput tuum a primo instanti immaculatae suae Conceptionis in sua humilitate contrivit …«
    Seine Worte wurden inbrünstiger, und er schien in Ekstase zu verfallen. Sein ganzer Leib zuckte, während der Mund Ton um Ton ausstieß, so als stände der Satan bereits vor ihm und wolle ihn ins Verderben reißen. Dabei näherte er sich langsam der Madonnenfigur, deren vom Sonnenlicht erfasstes Haupt mit einem Mal andere Züge annahm, Züge, die ihn an jene Frau gemahnten, die ihm einst zum Verhängnis geworden war.
    »Marie!« Einen Augenblick unterbrach er sein leidenschaftliches Gebet und stieß diesen Namen wie einen Hilferuf hervor. Dabei schüttelte er sich wie im Fieber und fuhr dann mit seinem Exorzismus fort.
    »… Ergo, draco maledicte et omnis legio diabolica …« Bei diesen Sätzen steigerte sich die Stimme des Mönchs zu einem schrillen Diskant und war schließlich kaum noch zu verstehen. Die letzten Worte schrie er schließlich wie eine Kampfansage an alle Höllenmächte hinaus.
    »Vade, satana, inventor et magister omnis fallaciae, hostis humanae salutis!«
    Im gleichen Moment erlosch das goldene Licht, das der Madonnenfigur überirdischen Glanz verliehen hatte. Verwirrt starrte der Mönch auf das plötzlich kalte und schmucklose Standbild und vermochte zuerst nicht zu begreifen, weshalb der Strahlenkranz verschwunden war. Er sprach ein letztes Gebet, bekreuzigte sich und verließ die Kapelle. Als er wieder auf der Straße stand, sah er, dass die Sonne von den Wipfeln dichter Bäume verdeckt wurde, und schüttelte sich, als müsse er sich unangenehmer Gedanken erwehren. Dann machte er sich wieder auf den Weg in die nahe Reichsstadt.
    All die Bilder wallten wieder in ihm auf, die ihn zumeist nur des Nachts quälten. Elf Jahre lang hatte er das Land seiner Geburt nicht mehr betreten dürfen. Aber diejenigen, die ihm dies verboten hatten, lebten nicht mehr, und mit ihnen war auch das Geheimnis seiner Herkunft ins Grab gesunken. Um seinen Mund zuckte ein böses Lächeln, als er an die beiden Mönche dachte, denen er seine Rettung verdankte. Sie hatten niemand verraten, dass er noch lebte.
    Ihn selbst hatten sie nach Rom geschafft und zu einem Leben in Gebet und Demut verurteilt. Gerade dadurch aber war es ihm möglich gewesen, in der verschlungenen Hierarchie des Vatikans aufzusteigen und den Rang zu erreichen, den er nun einnahm. Als Inquisitor besaß er mehr Macht als jeder andere Würdenträger des Heiligen Stuhls mit Ausnahme des Papstes. Selbst Bischöfe und Kardinäle hatten ihn zu fürchten, das galt auch für die christlichen Fürsten Europas bis hoch zu König Sigismund. Allerdings hatte er dafür einen hohen Preis zahlen müssen.
    Bei dem Gedanken berührte er die silberne Maske, die auf der rechten Seite nur den Mund und die Kinnpartie freiließ. Einst hatte er als gutaussehender junger Mann gegolten, nun aber würde jede Frau schreiend vor ihm zurückweichen. Nicht alle, durchfuhr es ihn. Eine gab es, deren Geist stark genug war, auch diesen Anblick zu ertragen. Sobald er seinen Auftrag in Nürnberg erledigt hatte, würde er sie suchen. Sie war noch am Leben, das fühlte er. Zu seinem Leidwesen hatte er bisher nicht in Erfahrung bringen können, wo sie sich aufhielt. Der Bote, den er vor zwei Jahren nach Konstanz geschickt hatte, um nach Marie Schärer zu fragen, hatte ihm nur melden können, dass sie die Stadt schon vor vielen Jahren verlassen hatte.
    »Die Heilige Jungfrau wird mich leiten!« Mit diesem Stoßseufzer ging er weiter und erreichte kurz darauf das Stadttor.
    Ein Wächter vertrat ihm den Weg. »Woher kommst und wohin willst du, frommer Bruder?«
    Der Mönch blieb stehen, hob den Kopf und funkelte den Mann mit dem einen Auge an. »Ich bin Janus Suppertur, Inquisitor im Auftrag Seiner Heiligkeit, Papst Martin V., und ich komme, um die Sünder zu bestrafen!«
    Damit schob Janus Suppertur, der einst auf den Namen Ruppertus getauft worden war, den Mann zur Seite und ging weiter. Ein Windstoß blähte seine Kutte auf, so dass sie ihm wie eine schwarze Fahne um die Beine schlug.
    Der Wächter sah ihm verblüfft nach, wagte aber nicht, ihn aufzuhalten. Als der Mönch im Menschengewühl untergetaucht war, kehrte er zu seinem Kameraden zurück und rieb sich mit der rechten Hand das Gesicht. »Der Mönch ist ein Inquisitor und will die Sündhaftigkeit aus Nürnberg vertreiben!«, sagte er mit gepresster Stimme.
    »Ein Inquisitor,
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