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Die Rache Der Wanderhure

Die Rache Der Wanderhure

Titel: Die Rache Der Wanderhure
Autoren: Iny Lorentz
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durch den Kopf schossen, weit wegzuschieben. Die Kleine hob den Kopf, stand auf und rannte lachend auf sie zu.
    Bevor Trudi ihre Mutter erreichte, klang Hufgetrappel auf. Alle drei drehten sich um und sahen einen Mann den Weg zur Burg hinaufreiten. Michel winkte dem Reiter zu und ging zur Straße.
    Bei seinem Anblick zügelte der Fremde sein Pferd und blickte auf ihn herab. »Ich suche Michel Adler, den Burghauptmann von Hohenstein!«
    »Du hast ihn gefunden!« Michel stemmte die Hände in die Seiten und musterte den Besucher, der einen Waffenrock mit Sigismunds Wappen trug.
    Der Mann zog ein versiegeltes Schreiben aus seiner Satteltasche und reichte es Michel mit weitaus respektvollerer Stimme. »Ich habe eine Botschaft für Euch, Herr. Sie kommt vom König!«
    Verwundert nahm Michel den Brief entgegen, erbrach das Siegel und begann zu lesen. Mit jeder Zeile wurde sein Gesicht finsterer. Schließlich wies er mit der Hand zur Burg. »Reite voran und sage meinem Stellvertreter, dass ich dich geschickt habe. Er soll dir eine Mahlzeit und einen Krug Wein auftischen lassen. Man wird auch dein Pferd gut versorgen.«
    Der Kurier neigte kurz das Haupt und trieb seinen Gaul an, während Michel sich seufzend umdrehte und Marie hinter sich stehen sah. »Seine Majestät Sigismund, der römisch-deutsche König, erwartet seine Ritter und Lehensträger zum Reichstag in Nürnberg. Wir sollen in Waffen erscheinen. Du weißt, was das bedeutet.«
    Obwohl Marie es sich denken konnte, schüttelte sie heftig den Kopf. »Nein, das weiß ich nicht!«
    »Es gibt Krieg! Sigismund wird gegen die Hussiten ziehen wollen«, erklärte Michel mit ernster Miene.
    Trudi war Marie bis zur Straße gefolgt und blickte fragend zu ihrem Vater hinauf. »Was ist ein Hussit?«
    Mit einem gekünstelten Lachen nahm Michel seine Tochter auf den Arm und ging mit ihr in Richtung der Burg. »Ein Hussit, meine Kleine, ist unser schlimmster Feind!«
    Marie fühlte bei seinen Worten einen scharfen Stich im Magen, so als würde die Wunde aus jenen schrecklichen Tagen erneut aufgerissen. Wieder stiegen Schmerz und Trauer wie eine düstere Wand in ihr auf und drohten über ihr zusammenzuschlagen. Mit ein paar Schritten stand sie vor der Vogelscheuche, die Thomas am Rand des Getreidefelds aufgestellt hatte, schwang ihr Übungsschwert und trennte den hässlichen Kopf der Puppe mit einem wütenden Hieb vom Rumpf. Als dieser über den Boden rollte, glaubte sie einen Augenblick lang, Ruppertus Splendidus’ Gesicht darauf zu sehen, und atmete schwer. Dann drehte sie der kopflosen Vogelscheuche mit einer schroffen Bewegung den Rücken zu und folgte Michel und Trudi zum Schloss. »Mein schlimmster Feind ist tot!«, flüsterte sie vor sich hin. Doch sie wusste längst, dass die Erinnerung an Ruppertus Splendidus und das, was dieser Mann ihr angetan hatte, sie ihr Leben lang verfolgen würden.

2.
    E in paar Wochen später wanderte ein Mönch im Habit der Dominikaner auf der Straße nach Nürnberg. Trotz des warmen Wetters hatte er seine Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, dass es fast vollständig bedeckt war. Er murmelte lateinische Worte vor sich hin und stieß dabei den Stock, auf den er sich stützte, immer wieder hart auf den Boden, als müsse er die Erde wegen irgendwelcher Verfehlungen züchtigen.
    Mit einem Mal erblickte der Mönch am Rand des Weges eine kleine, offene Kapelle und blieb stehen. Einige Atemzüge lang musterte er das bescheidene Bauwerk und schritt dann darauf zu. Die tiefstehende Sonne fiel durch das Portal ins Innere und leuchtete es hell aus. In dem Augenblick aber, in dem der Mönch eintrat, verdeckte er das Sonnenlicht. Nur ein einziger Strahl drang noch über seine Schulter hinweg in den Raum und umgab die kleine Marienstatue auf dem Altar mit einer goldenen Aura.
    Bei diesem Anblick sank der Dominikaner auf die Knie und streifte die Kapuze vom Kopf. Dabei berührte seine Hand die silberne Platte, welche die rechte Hälfte seines Gesichts bedeckte. Die Maske verbarg auch das rechte Auge, während der Blick des linken mit einem feurig-ergebenen Ausdruck auf der umstrahlten Madonna ruhte.
    Der Mönch begann wieder zu beten und stieß die lateinischen Worte mit einer Wucht hervor, dass sein ganzer Leib vor Erregung zitterte. Dabei streckte er die Hände so begehrend nach der Statue aus, als wäre sie eine Frau aus Fleisch und Blut.
    »Imperat tibi excelsa Dei Genetrix Virgo Maria«, rief er schließlich mit donnernder Stimme, so als müsse er unreine
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