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Die Prophezeiung des Adlers

Die Prophezeiung des Adlers

Titel: Die Prophezeiung des Adlers
Autoren: Simon Scarrow
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trägt Vespasian selbst bei sich. Anscheinend will er sie sonst niemandem anvertrauen.«
    »Kann man ihm nicht verdenken. Ich hoffe nur, dass er Vitellius niemals den Rücken zudreht.«
    »Mach dir wegen Vitellius keine Sorgen«, erwiderte Cato. »Ich werde ihn genau im Auge behalten.«
    »Tu das.«
    Sie standen einen Augenblick schweigend da und sahen Ajax und den anderen nach, die ins Lagerhaus geführt wurden. Dann drehte Cato sich um und streckte den Arm aus. »Wir sehen uns also in Rom. Komm ins Haus von Vespasian. Er sagte, er würde uns unterbringen, bis wir abkommandiert werden.«
    Macro umfasste den Unterarm seines Freundes. »Das wird wohl ein besseres Quartier sein als dieses Loch, das wir in Rom gemietet hatten.«
    Beide lächelten bei der Erinnerung an die grässliche Unterkunft.
    »Viel Glück, Macro.«
    »Gute Reise, Cato.«
    Der junge Offizier nickte, wandte sich ab und marschierte rasch über den Exerzierplatz zum Hauptquartier. Macro sah ihm kurz nach und drehte sich dann zur Kaserne um. Er hatte noch viele Pflichten zu erledigen, bevor er es sich gestatten konnte, den Stützpunkt zu verlassen, nach Ravenna hineinzugehen und seiner Mutter die Nachricht zu überbringen. Die unangenehme Aufgabe lag ihm bleischwer auf der Seele, und lieber hätte er ein Jahr lang Arbeitsdienst aufgebrummt bekommen, als seiner Mutter gegenüberzutreten und ihr von Minucius’ Tod zu berichten.
    Es war schon dunkel, als Macro meinte, mit seinen Pflichten so weit gekommen zu sein, dass er es rechtfertigen konnte, den Stützpunkt für den Rest des Abends zu verlassen. Zumindest sagte er sich das so. Aber die ihm unterstellten Offiziere hatten ihm schon komische Blicke zugeworfen, als er sich mit immer banaleren Aufgaben beschäftigte, und selbst Macro war irgendwann klar geworden, dass sein scheinbarer Arbeitseifer äußerst ungewöhnlich wirkte. Daher übergab er die wenigen verbliebenen Tätigkeiten einem Optio, holte Mantel, Geld- und Proviantbeutel und machte sich auf den Weg ins Hafenviertel. Er schlüpfte durch die schmale Pforte neben dem Haupttor und geriet in eine große Menschenmenge, die versuchte, zu den Wachstafeln zu gelangen, die am Haupttor hingen und auf denen die Namen der Toten und Verwundeten verzeichnet waren. Fiebernd vor Aufregung gingen sie die Listen durch, fanden keinen Namen und suchten sicherheitshalber erneut, bevor sie davonschlüpften und ein Dankgebet für die Errettung des geliebten Menschen ausstießen. Andere waren beim Lesen der Liste von einem elenden Gefühl der Unvermeidlichkeit erfüllt, fanden dann auch, was zu sehen sie am meisten fürchteten, und wichen schluchzend und heulend zurück, während wieder andere zu betäubt waren, um das zu glauben, was sie mit eigenen Augen gesehen hatten.
    Macro schob sich behutsam durch die Menschenmenge. Er wollte unbedingt von diesen verzweifelten Menschen wegkommen, hatte aber zu große Schuldgefühle, selbst überlebt zu haben, um sich in einen abwehrenden Fatalismus zu flüchten. Endlich konnte er sich frei machen und ging langsam den Kai entlang, während er versuchte, sich zurechtzulegen, wie er Portia am besten von Minucius’ Tod erzählen sollte. Aber es gab keinen leichten Weg. Wie denn auch? Schlimmer noch waren die Umstände von Minucius’ Tod. Macro hätte ihr wenigstens diesen Teil gerne erspart, aber er wusste, dass ein so großer Verrat nicht lange geheim bleiben würde. Selbst wenn nur eine Handvoll Flottenangehörige die ganze Geschichte kannten, gab es doch Soldaten, die über Bruchstücke informiert waren, und die Burschen würden sich untereinander austauschen. Schließlich würden die Gerüchte seiner Mutter zu Ohr kommen und die Last ihres Kummers noch unermesslich vergrößern.
    Er bog in die Straße ein, die in den heruntergekommenen Teil Ravennas führte, und kam an einem betrunkenen Haufen von Handelsmatrosen vorbei, die die Niederlage der Piraten feierten. Kurz war er in Versuchung, stehen zu bleiben und ihnen zu erklären, wie es wirklich war. Dass die Freiheit, ihrem Beruf wieder nachzugehen, mit dem Leben Hunderter guter Männer erkauft worden war. Aber er begriff, dass man damit hatte rechnen müssen. Die dunkle Seite des Sieges war der Preis, den er den Siegern abverlangte. Außerdem, so überlegte Macro mit einem grimmigen Lächeln, würde er seine Aufgabe nur noch weiter aufschieben, wenn er jetzt haltmachte.
    Nur zu bald stand er auf der Straße dem Tanzenden Delfin gegenüber. Mit klopfendem Herzen blieb er
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