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Die Prophezeiung des Adlers

Die Prophezeiung des Adlers

Titel: Die Prophezeiung des Adlers
Autoren: Simon Scarrow
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Augenblick lang stand er über dem erbärmlichen Verräter, dann biss er die Zähne zusammen und senkte die Waffe.
    »Steh auf!«
    Minucius blickte auf, die Augen aufgerissen und voll brennender Hoffnung. »Du wirst es nicht bereuen, Macro.«
    »Steh auf!«
    Minucius kam mit einem nervösen Lächeln auf die Beine. »Die Götter mögen dich segnen. Ich wusste, dass du ein guter Mann bist. Ein guter Sohn. Wir werden dir das niemals vergessen, deine Mutter und ich.«
    »Willst du meiner Mutter helfen?«
    »Was? Ja! Natürlich. Natürlich will ich das. Ich liebe sie.«
    »Nun gut. Du liebst sie.« Macro nickte. Er beugte sich vor und blickte vom Rand des Turms hinunter. Die Mauer fiel lotrecht über die Klippen nach unten ab, wo die Wellen weiße Gischt gegen die Felsen schleuderten. Einen Sturz aus dieser Höhe konnte man nicht überleben. Er richtete sich auf und sah Minucius an. »Wenn du sie liebst, springst du.«
    »Was?«
    »Du wirst so oder so sterben. Entweder ich töte dich und erspare dir eine öffentliche und äußerst demütigende Hinrichtung. Oder du springst, und ich halte so gut wie möglich unter der Decke, was für ein verräterisches kleines Arschloch du warst.« Macro lächelte gezwungen. »Um meiner Mutter willen, du verstehst.«
    »Das ist doch nicht dein Ernst?«
    »Doch, absolut. Nun, viel Zeit hast du nicht. Die anderen werden jeden Augenblick hier heraufkommen, um zu sehen, was geschehen ist. Wenn du dann immer noch auf dem Dach bist, übergebe ich dich ihnen. Du weißt, was das bedeutet.«
    Minucius biss sich auf die Lippen und erhob die gefalteten Hände. »Macro, ich flehe dich an.«
    »Tu uns allen einen Gefallen. Spring.«
    »Ich … ich kann nicht. Ich habe Angst.«
    »Pech.«
    Von unten hallte ein Ruf die Treppe herauf. Dann erneut. Cato suchte Macro. Ohne den Blick von Minucius zu wenden, schrie Macro: »Hier oben!«
    Schritte polterten die Treppe hinauf. Macro nickte bedeutungsvoll zur Brüstung des Wachturms hinüber und zog die Augenbrauen hoch. Minucius’ Gesicht verzerrte sich vor verzweifeltem Schmerz, und er schüttelte den Kopf.
    »Wie du willst.« Macro zuckte mit den Schultern, trat ein paar Schritte zurück und wandte sich nach der Treppe um. Er ging hinüber, als Cato mit erhobenem Schwert durch die Tür gehastet kam.
    Macro hob die Hand. »Immer mit der Ruhe! Ist unten alles geklärt?«
    Cato nickte, während er nach Luft rang.
    »Habt ihr die Schriftrollen gefunden?«, fragte Macro.
    »Ja … Wo ist Minucius?«
    Macro drehte sich um. Der Verräter war verschwunden. Nur der Lederbeutel war zurückgeblieben und lag als zerknautschter Haufen bei der Brüstung. Macro sah kurz hinüber und antwortete dann:
    »Minucius? Der war gerade noch hier.« Macro schüttelte den Kopf. »Der alte Schweinehund muss wohl gedacht haben, er hätte Flügel.«

KAPITEL 44
    S echs Tage darauf kehrte die Flotte nach Ravenna zurück. Anfangs waren die Einwohner außer sich vor Freude, als die Nachricht, dass die Segel gesichtet worden waren, sich in den Straßen verbreitete. Die Menschen eilten in Scharen zum Hafen und auf die Molen hinauf, um der Flotte zuzuwinken. Verwandte der Matrosen und Marineinfanteristen versammelten sich vor den Toren des Marinestützpunkts und warteten begierig darauf, ihre Männer zu sehen. Als die Flotte dicht vor dem Hafeneingang war, wurden die Segel eingeholt, und die Rojer schoben die Riemen heraus und ruderten die Kriegsschiffe an den dicht gedrängten Handelsschiffen vorbei in den Marinehafen.
    Die Verwundeten waren in den Triremen an der Spitze der Flotte transportiert worden. Diese großen Schiffe steuerten nun den Kai an und warfen die Festmachleinen zu den Männern hinüber, die sie an jedem Liegeplatz erwarteten. Sobald die Triremen vertäut waren, wurden die Laufplanken auf den Kai ausgebracht, und die Entladung der Verwundeten begann. Ein steter Strom von Verletzten wurde auf Tragbahren zum Lazarettblock geschleppt. Dann wurden die Bahren eilig zu den Schiffen zurückgebracht, um weitere Versehrte zu holen. Es gab so viele Soldaten, die auf den Transport mit der Bahre angewiesen waren, dass die gehfähigen Verwundeten den kurzen Weg über den Stützpunkt zum Lazarett ohne Hilfe zurücklegen mussten.
    Als das Ausmaß der Verluste deutlich wurde, schlug die erleichterte Feierstimmung in Ravenna rasch in entsetzte Verzweiflung um, und unter den Verwandten und Freunden, die vor den Toren warteten, erhob sich ein schrilles Wehklagen. Sobald eine Trireme ihre
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