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Die Prophezeiung des Adlers

Die Prophezeiung des Adlers

Titel: Die Prophezeiung des Adlers
Autoren: Simon Scarrow
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stehen und starrte auf die Eingangstür. Er war noch nicht so weit. Dann ballte er gereizt die Fäuste und überquerte die dreckige, matschige Straße mithilfe der Trittsteine, die darüberführten. Einmal tief Atem holen – dann betrat er die Taverne.
    Nur eine Handvoll Gäste saßen in der Schankstube, und er erblickte Portia sofort. Sie stand halb abgewandt, deckte Becher für die Abendkundschaft und bemerkte ihn nicht. Macro schluckte und durchquerte den Raum so leise er konnte, aber ein knarrendes Bodenbrett verriet ihn, bevor er beim Tresen ankam, und sie drehte sich nach ihm um.
    Ihre Blicke begegneten sich, und beide standen einen Augenblick lang reglos und stumm da. Dann verzerrte sich ihr Gesicht, und sie stützte sich Halt suchend auf den Tresen.
    »Nein … nein … nein … « Sie krallte die Finger in die Holzplatte, und ihre Knöchel wurden weiß. Macro ging die letzten paar Schritte zu ihr und ergriff sie sanft bei der Schulter.
    »Mutter, es tut mir leid.«
    Sie ließ den Kopf hängen, und Macro spürte, wie ihre schmale Gestalt zwischen seinen Händen erbebte. Er blickte auf und sah, dass die Gäste neugierig herschauten.
    »Mutter, komm mit. Nach hinten.«
    Er stapfte unbeholfen hinter den Tresen, legte ihr den Arm um die Schultern und half ihr durch die Tür in den kleinen Lagerraum hinter der Schenke. Dort setzte er sie auf den Hocker an dem kleinen Schreibtisch, an dem sie ihre Buchhaltung machte. Eine Zeit lang hielt Portia die Hände vors Gesicht geschlagen, und wildes Schluchzen schüttelte ihren Körper. Macro schwieg und hielt sie mit einem Arm fest. Zögernd hob er die freie Hand und strich ihr durch das dünne graue Haar.
    Nach einer Weile ließ das Weinen nach, und ein wenig später nahm Portia plötzlich die Hände vom Gesicht, richtete sich auf und tupfte sich mit einem Spültuch die Augen trocken.
    »Was ist passiert?«
    »Er ist beim letzten Angriff gefallen.«
    »Er hat nicht gelitten?«
    »Nein. Es ging schnell. Er kann nichts gespürt haben.«
    »Verstehe.« Sie nickte, als würde es dadurch irgendwie erträglicher. »Das ist gut. Ich hätte es schlimm gefunden, wenn er gelitten hätte. Ich hätte … « Ihr Gesicht verzerrte sich erneut, und wieder vergoss sie bittere Tränen, bis es ihr gelang, eine gewisse Fassung zurückzuerlangen. »Er war ein guter Mann.«
    Macro schwieg, und sie spürte sofort, dass etwas faul war.
    »Was ist los, Macro?«
    »Es ist nichts. Soll ich dir etwas zu trinken holen?«
    »Etwas zu trinken?« Portia fasste ihn scharf ins Auge. »Das sagen Männer immer, wenn sie einem Thema ausweichen wollen.«
    Macro blickte sie hilflos an.
    »Was ist passiert?«, fragte sie leise, aber fest. »Sag es mir.«
    »Das ist jetzt nicht die richtige Zeit.«
    »Sag es mir!«
    Macro schluckte, versuchte, ihrem eindringlichen Blick zu begegnen, und senkte verunsichert die Augen. Leise sagte er: »Minucius war ein Verräter. Er hat den Piraten Informationen verkauft. Und zwar schon seit Monaten.«
    »Nein.«
    »Doch. Wie soll er denn sonst an das Geld für seine schönen Ruhestandspläne gekommen sein?«
    »Er sagte, er hätte es geerbt.« Sie blickte verwirrt. »Er kann doch kein Verräter gewesen sein. Wie denn? Das hätte ich doch gemerkt.«
    »Willst du damit sagen, dass du niemals einen Verdacht hattest?«
    Portia starrte ihn wütend an und schlug kräftig zu. »Wie kannst du es wagen!«
    Macro rieb sich die Wange. Seine Mutter schüttelte vor Wut, Kummer und Verzweiflung bebend den Kopf. »Macro … was soll nur aus mir werden?«
    »Für dich ist gesorgt, Mutter.« Er legte seinen Proviantbeutel auf den Tisch, schnürte ihn auf und zog den Lederbeutel heraus, den Minucius auf der Turmplattform bei sich gehabt hatte. »Der hier hat ihm gehört. Ich denke, jetzt solltest du das haben.«
    Portia starrte den Lederbeutel an. »Was ist darin?«
    »Gold, Edelsteine und Silber. Mehr als genug für ein angenehmes Leben. Das kleine Landgut kannst du jetzt doch noch haben.«
    Ihre Augen blieben auf den Beutel geheftet. »Wie hast du den in die Hände bekommen?«
    Macro wand sich. »Er hatte ihn bei sich, als er gestorben ist.«
    Ihr Blick schoss hoch. »Du warst dabei?«
    Macro nickte.
    »Und was genau ist geschehen?«
    Als ihr Sohn nicht sofort antwortete, trat ein Ausdruck des Entsetzens in ihr Gesicht. »Was hast du mit ihm gemacht? Was hast du ihm angetan?«
    Sie packte ihn am Arm und versuchte, ihn zu schütteln. Macro sah sie kühl an. »Ich habe ihn vor die Wahl
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