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Die Prophezeiung des Adlers

Die Prophezeiung des Adlers

Titel: Die Prophezeiung des Adlers
Autoren: Simon Scarrow
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die dürftige Erklärung für seinen Versuch, die Schriftrollen selbst zu bergen, nicht zum Narren halten. Wie immer hatte der Ränke schmiedende Aristokrat die passende Geschichte erfunden, um seine Spuren zu verwischen. Hätte Telemachos ihn nicht gefangen genommen, hätte er die Schriftrollen für sich beh alten, da war Cato sich sicher.
    »Was machst du damit, wenn du sie gelesen hast?«, fragte Vespasian.
    »Was soll ich damit machen?« Narcissus runzelte die Stirn. »Worauf willst du hinaus?«
    »Was geschieht mit den Schriftrollen? Ich nehme an, du bringst sie dann zu den anderen in den Jupitertempel.«
    Narcissus lachte. »Nein, natürlich nicht.«
    Vespasian starrte ihn einen Augenblick an. »Ich verstehe nicht. Ich dachte, darum ginge es – die Schriftrollen zusammenzuführen.«
    »Warum sollte ich das tun wollen?«
    »Damit man sie zurate ziehen kann.«
    »Wer soll sie denn konsultieren?«
    Vespasian lachte. »Der Kaiser. Die Priester. Der Senat.«
    Narcissus nickte. »Genau das meine ich ja.«
    »Tut mir leid. Ich verstehe dich nicht.«
    Der Kaiserliche Sekretär lehnte sich lächelnd auf seinem Stuhl zurück. »Wenn die Leute Zugang zu den Schriftrollen erhielten, könnten sie sie einfach nur für ihre eigenen politischen Zwecke nutzen.«
    »Unglaublich!« Vitellius grinste.
    Vespasian fuhr ihn gereizt an: »Wir sind nicht alle so wie du.«
    »Nein. Aber genug von uns sind es. Du hast zu viel Zeit fern von Rom verbracht, Vespasian. Es gibt massenhaft Senatoren, die es auf ein hohes Amt abgesehen haben.« Seine Augen funkelten boshaft. »Und falls ihnen selbst nicht daran gelegen ist, werden sie mit Sicherheit von ihren Frauen dazu gedrängt … «
    Vespasian senkte den Blick, um seine Sorge zu verbergen.
    »Siehst du jetzt mein Problem?« Narcissus beugte sich vor. »Es wäre eine große Beruhigung für den Kaiser, wenn jeder Senator den Dienst an Rom so ernst nehmen würde wie du. Aber es gibt viele, die lieber ihren eigenen Zielen dienen. Wir können nicht zulassen, dass sie erfahren, was das Schicksal für uns alle bereithält. Das siehst du doch sicherlich ein?«
    Vespasian blickte auf. »Mir scheint, dass wir eine Gelegenheit versäumen, die Zukunft in die Hand zu nehmen. Die besten Köpfe des Imperiums auf sie anzusetzen.«
    »Na ja«, erwiderte Narcissus, »die besten Köpfe sind einem aber nicht immer wohlgesinnt, wenn du verstehst, was ich meine? Jedenfalls wäre es wahrscheinlich viel zu gefährlich, die Zukunft Roms den Spekulationen einer halb verrückten Mystikerin anzuvertrauen, die aufgeschrieben wurden, als diese Stadt kaum mehr als ein Dorf war. Tatsächlich spielt es eigentlich keine Rolle, was in diesen Schriften steht. Es müssen nur die richtigen Leute darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie existieren. Dann werden sie Angst vor dem haben, was vielleicht in den Schriftrollen stehen könnte . Darin liegt ihr wahrer Wert, zumindest für mich und den Kaiser. Das verstehst du doch, Vespasian?«
    Vespasian nickte.
    »Gut!«, sagte Narcissus. »Dann wird dir auch einleuchten, warum du niemandem von ihnen erzählen darfst. Bisher wissen nur eine Handvoll Männer, dass es sie gibt. So soll es vorläufig auch bleiben.«
    Vespasian lächelte. »Natürlich wirst du nicht zögern, den Inhalt der Schriftrollen dazu zu benutzen, dein eigenes Ansehen zu mehren?«
    Kurz zuckte ein Ausdruck des Zorns über Narcissus’ Züge. Dann erklärte er: »Ich diene Kaiser Claudius. Genau wie du. Ich werde die Schriftrollen dazu verwenden, die Position des Kaisers zu stärken.«
    »Deine unwandelbare Treue rührt mich, Narcissus. Du wirst das Wissen, das du aus den Schriftrollen gewinnst, ganz gewiss mit großer Selbstlosigkeit nutzen.«
    Sie starrten einander kurz an, dann faltete Narcissus die Hände über den Schriftrollen und fuhr fort: »Ich werde dich nicht beleidigen, indem ich dir in dieser Angelegenheit einen feierlichen Eid abverlange. Ich bitte dich nur, zu verstehen, dass die Stabilität des Imperiums von diesem Geheimnis abhängt. Sind wir uns da einig?«
    »Wenn ich anderer Meinung wäre, würde man mich wohl in aller Stille beseitigen, oder?«
    »Natürlich. Es wäre so, als hättet ihr, du und dein Geschlecht, niemals existiert.«
    »Dann bin ich einverstanden … «
    Narcissus lächelte. »Danke. Vitellius?«
    Vitellius nickte sofort.
    Dann heftete Narcissus den Blick auf Cato, und der junge Offizier spürte, wie ihn ein Angstschauder überlief. Er machte sich keine Illusionen, dass man
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