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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
Autoren: Nancy Bilyeau
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Wangenknochen.
    »Ich bin die Priorin, Schwester Philippa Jonys.«
    Meine Mutter eilte ihr entgegen und kniete nieder, als sie ihre Hand ergriff, um sie zu küssen. Es war nicht nur Theater; ich wusste, dass man in Spanien den Leitern kirchlicher Häuser mit tiefsterEhrerbietung begegnete. Doch die Priorin hob beim Anblick meiner tief gebeugten Mutter die Brauen und entzog ihr ihre Hand.
    »Ich habe mit Bedauern von Eurem Missgeschick gehört«, sagte sie. »Wir Benediktinerinnen sind der Gastfreundschaft verpflichtet und bieten Euch gern Obdach, bis Ihr bereit seid, Eure Reise fortzusetzen.«
    »Aber wir sind hergekommen, um Schwester Elizabeth Barton zu sehen«, protestierte meine Mutter erregt. »So wurde es vereinbart. Ich habe von Stafford Castle aus mit Doktor Bocking korrespondiert.«
    Ich starrte meine Mutter erstaunt an. Bis zu diesem Moment hatte ich geglaubt, der Ausflug nach St. Sepulchre sei spontan beschlossen worden, in Canterbury oder frühestens in London. Jetzt erkannte ich, dass der Besuch der Heilquelle nur ein Vorwand gewesen war, um unbeobachtet von den Bediensteten nach St. Sepulchre zu reisen.
    »Ich weiß nichts von einer solchen Vereinbarung«, entgegnete die Priorin, »und hier geschieht nichts ohne mein Einverständnis.«
    Manch anderen hätte diese Zurückweisung verschreckt, nicht meine Mutter.
    »Mir wurde die Genehmigung von Doktor Bocking erteilt, dem Mönch, der meines Wissens Schwester Elizabeths geistlicher Berater ist«, erklärte sie. »Ich hätte das Schreiben mitgebracht, hätte ich nur einen Moment in Betracht gezogen, dass man an den Worten der Gemahlin von Sir Richard Stafford – einer Hofdame der Königin von England – zweifeln könnte.«
    Die Priorin sah sie kalt an. »Wir sind hier in einem Kloster, nicht am königlichen Hof. Schwester Elizabeth ist ein Mitglied unserer Gemeinschaft. In St. Sepulchre leben sechs Nonnen. Sechs. Da gibt es viel zu tun, weltliche und geistliche Werke zu verrichten. Diese Besuche rauben Schwester Elizabeth die Kraft. ›Wird die nächste Ernte besser werden?‹ ›Werde ich mich noch einmal verheiraten?‹ Sie kann ihre Zeit nicht an solche Minuzien verschwenden.«
    »Ich bin nicht hergekommen, um mich nach Ernteerträgen zu erkundigen«, versetzte meine Mutter scharf.
    »Warum dann?«
    Mit einem Blick auf mich erklärte meine Mutter: »Meine Tochter ist seit einiger Zeit nicht wohl. Wenn ich wüsste, welchen Weg wir einschlagen sollen – was die Zukunft für sie bereithält – «
    »Nein, Mama, nein«, unterbrach ich entsetzt. »Cousin Henry hat uns ausdrücklich befohlen, niemals bei Prophezeiungen Rat zu suchen nach dem, was dem Herzog von Buckingham – «
    »Schweig«, herrschte meine Mutter mich an. »Das hier ist etwas ganz anderes.«
    Es klopfte an der Tür, gleich darauf trat Schwester Anne ein.
    »Schwester Elizabeth lässt ausrichten, dass sie jetzt bereit ist, das Mädchen Joanna zu empfangen«, meldete die Nonne.
    »Habt Ihr ihr von diesen Gästen berichtet?«, fragte die Priorin scharf.
    Schwester Anne schüttelte den Kopf. Die beiden Nonnen starrten einander an. Eine seltsame Spannung lag in der Luft.
    Meine Mutter bemerkte es nicht. »Dann führt uns jetzt bitte ohne weiteren Aufschub zu Schwester Elizabeth«, befahl sie, Triumph in der Stimme.
    Schwester Anne neigte den Kopf. »Verzeiht, Lady Stafford, aber Schwester Elizabeth sagte, dass sie die junge Dame allein sehen möchte. Und nur, wenn sie aus freiem Willen und ohne Zwang kommt.«
    »Aber ich will sie ja gar nicht sehen«, protestierte ich.
    Meine Mutter nahm mich bei den Schultern. Ihr Gesicht war gerötet; zu meinem Schrecken schien sie den Tränen nahe. »Du musst, Juana«, flehte sie. » Por favor . Frag sie, was wir tun sollen. Schwester Elizabeth besitzt die Sehergabe. Nur sie kann uns leiten. Ich bin dem allein nicht mehr gewachsen. Ich kann nicht mehr.«
    Ich hatte nicht gewusst, wie sehr meiner Mutter meine Schwermut zu schaffen machte. Sie so leiden zu sehen, belastete mein Gewissen. Gut, ich würde diese merkwürdige junge Nonne aufsuchen.Aber es würde ein kurzer Besuch werden; ich würde nicht viele Fragen stellen.
    Die Priorin und Schwester Anne besprachen sich noch einen Moment mit gesenkten Stimmen, dann winkte mir die Priorin, ihr zu folgen. Durch den dunklen Gang und durch das Portal hinaus führte sie mich in einen weiteren düsteren Flur, und mir fiel auf, wie sehr die Eleganz ihrer Bewegungen sich von dem gezierten Gehabe der Adelsdamen
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