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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin
Autoren: wood
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hatten sie die ›Wolkensäule‹ bei Tag und ›das Feuer‹ in der Nacht gesehen. Catherine war hierhergekommen, um einen Beweis für den Weg der Israeliten durch die Wüste zu finden und auch Hinweise auf die Prophetin Mirjam. Mit einem Papyrus-Fund, in dem das Wort ›Jesus‹ vorkam, hatte sie allerdings nicht gerechnet. Sie überlegte: Was hat das Fragment und die Worte ›ewiges Lebern mit Ibn Hassans ›Engel‹, mit dem Traum der Frau des Ägyptologen und mit den Legenden der Beduinen zu tun, in denen immer wieder von Geistwesen oder Geistern berichtet wird, die an dieser Stelle den Menschen erscheinen? Catherine lauschte auf die Geräusche vor dem Zelt. Der morgendliche Wind nahm an Heftigkeit zu. Er fuhr pfeifend über den dunkelblauen Golf und mischte sich mit dem Lachen und Rufen von Hungerfords Arbeitern, die das Geröll durchsuchten.
    Plötzlich erinnerte sie sich, daß sie in der vergangenen Nacht ebenfalls einen seltsamen Traum gehabt hatte.
    Nein, es war kein Traum gewesen. Eine Erinnerung, die sie mit großer Entschlossenheit verdrängt hatte, stellte sich erstaunlicherweise wieder ein, um sie zu quälen. ›Du abscheuliches Mädchen! Das wirst du büßen…‹
    Catherine schob die Erinnerung seufzend beiseite und griff nach der Lupe. Sie wollte damit beginnen, die altgriechischen Worte zu übersetzen, als es draußen plötzlich laut wurde. Die Araber hatten etwas gefunden.
    In unmittelbarer Nähe der Sprengung waren die Arbeiter auf ein Loch gestoßen, das wie ein Tunneleingang wirkte. Catherine kniete im Sand und betrachtete die Öffnung. Ihr Herz schlug schneller, sie sprang auf und rannte ohne eine Erklärung zu ihrem Grabungsplatz zurück. Vor Beginn der Ausgrabungen hatte sie das Gebiet mit den neuesten geologischen Meßinstrumenten untersucht und an dieser Stelle das Vorhandensein eines ungewöhnlichen unterirdischen Tunnels festgestellt. Sie hatte ein Planquadrat mit einem Raster angefertigt und dann mit den Grabungen begonnen. Ein Jahr später war sie auf der zweiten Ebene noch immer nicht auf Hinweise für eine menschliche Besiedlung gestoßen. Auf der dritten Ebene hatten sie eine Kalk-steinschicht erreicht und den Einstieg zu einem Tunnel gefunden.
    Als Catherine jetzt in einem der Gräben stand, wo sie diesen Tunnel entdeckt hatten, fiel ihr auf, daß er in Richtung der Sprengung verlief. Es war bestimmt nicht das Ende des unterirdischen Gangs, der offenbar zu dem steilen Uferfelsen führte. Was mochte sich am Ende des Tunnels befinden? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
    Catherine band sich das Seil um die Hüfte, legte sich auf eine der Paletten auf Rädern, mit denen sie das Geröll aus den Gräben transportierten, und machte sich mit einer Taschenlampe in der Hand auf den Weg.
    Im Innern wartete sie einen Augenblick. Der Gang war dunkel und eng. Staub und kleine Steine lösten sich von den Wänden. Niemand kannte die Festigkeit des Gesteins, das durch die Sprengung brüchig geworden sein mochte. Deshalb hatten sie ein Signal verabredet: Wenn Catherine einmal am Seil zog, würde man sie sofort herausholen.
    Catherine hatte Hungerford vor dem abenteuerlichen Einstieg noch einmal ermahnt, ein Auge auf seine Leute zu haben und dafür zu sorgen, daß alle in der Nähe blieben und niemand zum nächsten Telefon rannte – die Preise, die die Einheimischen auf dem schwarzen Markt für die Schriftrollen vom Toten Meer und den ›Nag Hammadi‹-Schatz erzielt hatten, waren nicht vergessen. Catherine hatte ihre Gruppe angewiesen, kein Wort über den Fund verlauten zu lassen, bis eine wissenschaftliche Klärung vorlag. Trotzdem machte sie sich Sorgen. Seit der Sprengung am frühen
    Morgen, die das Jesus-Fragment zutage gefördert hatte, waren drei Stunden vergangen. Das Gerücht von dem sensationellen Fund kursierte vielleicht schon auf der ganzen Halbinsel. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als Catherine in der Dunkelheit verschwand. Sie bewegte sich langsam, schob sich mit den Ellbogen durch den Gang vorwärts und hielt den Strahl der Taschenlampe auf die endlose Schwärze gerichtet. Immer wieder rieselte Sand auf sie herab, und wenn sie die Palette zum Stehen brachte, hielt sie den Atem an und rechnete fast damit, daß die Decke des Tunnels im nächsten Augenblick einstürzen werde. Sie durfte vor allem nicht die Nerven verlieren. Der Gang war so niedrig, daß sie die meiste Zeit flach auf dem Bauch liegen und den Kopf einziehen mußte. Trotzdem stieß sie immer wieder
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