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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin
Autoren: wood
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Eure Sicherheit und in Furcht um Euer Leben.‹ Catherine stieß die Luft aus.
    ›Lest diesen Brief im geheimen und in Furcht um Euer Leben!‹ Was um alles in der Welt hatte sie gefunden? Sie las noch einmal den Anfang: ›… der lieben Amelia, des verehrten Diakon…‹ Durch die dünne Nylonwand ihres Zelts hörte Catherine die üblichen Geräusche im Lager. Samir rief nach einer Kelle, einer der Studenten lachte laut, aus einem Kofferradio kamen die Nachrichten eines Senders in Jerusalem. All das registrierte ihr Bewußtsein kaum, während sie aufgeregt unter ihren Büchern suchte.
    Als sie das entsprechende Werk gefunden hatte, suchte sie im Register und las: ›Diakonos (Strong’s Nummer: 1249-GSN) griechisch: ‹Diener›. Wird heute übersetzt als ‹Diakon›. In der Frühkirche waren Diako-nai (die, die Befehle des Königs ausführen) Täufer, Prediger und Hüter des Sakraments, deshalb ist eine genauere Übersetzung im Kontext des Neuen Testaments ‹Priester›.‹
    Catherine holte tief Luft. War Amelia eine Priesterin? Eine Frau wurde in einem Brief, in dem das Wort
    ›Jesus‹ vorkam, als ›Priester‹ angeredet? Das konnte nicht sein!
    Catherine schlug ein Schriftbeispiel in dem Nachschlagewerk auf, griff nach der Lupe und verglich sorgfältig die Handschrift des Briefs mit den Buchstaben im Buch. Beide stimmten beinahe völlig miteinander überein. Kein Zweifel: Sabinas Brief an Amelia mußte im zweiten Jahrhundert geschrieben worden sein.
    Damals bekleideten jedoch nach der übereinstimmenden Ansicht von Theologen und Bibelwissenschaftlern keine Frauen das Priesteramt. Nur das hätte die Anrede ›Diakon‹ gerechtfertigt. Sie klappte das Buch zu und versuchte, die erstaunlichen Schlußfolgerungen in ihrer Tragweite zu erfassen. Ihr Blick fiel auf das Photo der Autorin auf der Rückseite. Plötzlich erinnerte sie sich an das letzte Gespräch mit Julius. Sie hatte ihn vor einer Woche aus dem Hotel Isis angerufen.
    ›Ich hoffe, du kommst über die Feiertage‹, hatte er gesagt. ›Meine Eltern freuen sich darauf, dich wiederzusehen. Die ganze Familie ist zum Chanukkah-Fest hier. Danach werden sie abreisen.‹ Als sie geschwiegen hatte, fragte er: ›Cathy, besteht denn wenigstens die Möglichkeit, daß nur wir beide Weihnachten Zusammensein können? Du fehlst mir so, Liebste‹. Aber sie hatte ihm erklärt, sie könne die Ausgrabungen nicht unterbrechen. Außerdem sei Weihnachten für sie ein Tag wie jeder andere.
    Seine Antwort und der Ton seiner Stimme gingen ihr nicht mehr aus dem Sinn.
    ›Es gab einmal eine Zeit, da hat dir Weihnachten sehr viel bedeutet, Cathy.‹ Dann sagte er: ›Du kannst der Kirche nicht ewig die Schuld an allem geben.‹
    Sie hatte erwidert: ›O doch. Was beim Tod meiner Mutter geschehen ist, war ganz allein die Schuld der Kirche. ‹ Ihr Blick richtete sich nachdenklich auf das Photo. Dr. Nina Alexander hatte das Handbuch des Griechischen im Neuen Testament geschrieben. Das Bild zeigte eine junge Frau mit lächelnden grünen Augen, aus denen eine wache Intelligenz sprach. Aber Catherine sah nicht die Augen, sondern sie hörte die tonlose Stimme ihrer Mutter am Ende ihres bewegten, streitbaren Lebens, als sie allein in einem Kranken-hauszimmer lag und flüsterte: ›Sie hatten recht, Cathy, ich hätte nicht tun dürfen, was ich getan habe, denn mir fehlten die Beweise. Wenn ich doch nur einen Beweis gehabt hätte…‹
    Catherine wollte nicht mehr an den schmerzlichen Tag denken, als ihre Mutter kurz vor dem Ende alle ihre Erkenntnisse widerrufen hatte und die Kirche schließlich doch triumphierte… Verwirrt und innerlich aufgewühlt richtete Catherine ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Jesus-Fragment und das brisante Wort:
    ›Diakon‹.
    Habe ich den Beweis gefunden, den meine Mutter gebraucht hätte?
    Sie blickte auf den Korb und auf das Loch im Geflecht, das offenbar durch die Sprengung entstanden war.
    Dahinter entdeckte sie das abgerissene Ende eines Papyrus. Sie hielt das ebenfalls abgerissene untere Ende ihres Fragments daran. Die beiden Papyrus-Stücke paßten zusammen. Das bedeutete, das Ende des Briefes nach den Worten: ›in Sorge um Eure Sicherheit und in Furcht um Euer Leben‹ befand sich in dem Korb.
    Catherine zögerte nicht mehr. Behutsam legte sie das Jesus-Fragment in eine verschließbare Kassette und schob sie zusammen mit dem Korb unter ihr Feldbett. Sie sah die Schlüssel für den Landrover neben dem Waschtisch, steckte sie ein und blickte auf
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