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070 - Neues vom Hexer

070 - Neues vom Hexer

Titel: 070 - Neues vom Hexer
Autoren: Edgar Wallace
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    DER ELEKTROINGENIEUR
     
    Miska Guild führte ein extravagantes Leben und machte häufig durch seine Abenteuer und dummen Streiche in der Öffentlichkeit von sich reden. Manche Leute lachten über ihn, die meisten aber waren empört über sein Verhalten.
    Eines Tages raste er zum Beispiel mit einer Geschwindigkeit von hundertzehn Kilometern die Regent Street entlang. Die Folge davon war, daß er zwei Fußgänger schwer verletzte, einen Laternenpfahl in Grund und Boden fuhr und seinen Wagen vollständig ruinierte. Die Anklage, daß er betrunken gewesen sei, konnte nicht aufrechterhalten werden, da man ihn vollkommen nüchtern unter den Trümmern hervorgezogen hatte. Auch war ihm selbst nicht das mindeste passiert.
    Trotz des gegenteiligen ärztlichen Gutachtens verurteilte ihn aber das Gericht. Miska erhob Einspruch, erschien vor den Geschworenen mit den besten Anwälten, die man für Geld haben konnte, und es gelang ihm, mit knapper Not einen Freispruch durchzusetzen. Die Leute vom Theater kannten ihn, weil er vielbesprochene Essen gab. Man munkelte auch davon, daß es bei seinen intimen Festen so toll zugehen sollte, daß man kaum darüber reden konnte. Einmal fuhr er nach Paris, und die französische Polizei gab sich die größte Mühe, einen unangenehmen Zwischenfall zu vertuschen, der während seines Aufenthaltes passierte.
    Aber immerhin konnte man die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß eine schöne, junge Choristin tot auf dem Gehsteig vor dem Hotel lag. Sie war aus dem fünften Stockwerk gefallen. Die Polizei erklärte allerdings in entgegenkommender Weise, daß die junge Dame die Tür zum Wohnzimmer verwechselt habe. Bei der Totenschau fragte niemand danach, warum sie über das Geländer geklettert war.
    Der einzige, der sich leidenschaftlich für die Sache interessierte, war Henry Arthur Milton, der von den Gerichten und der Polizei gesucht wurde. Zufällig wohnte er damals in demselben Hotel. Die große Öffentlichkeit kannte ihn unter dem Namen >Der Hexer<. Natürlich hatte er sich nicht mit seinem wirklichen oder mit seinem Spitznamen in die Fremdenliste eingetragen.
    Mr. Guild zahlte große Beträge an die Polizeibeamten, denen er soviel Unannehmlichkeiten und Mühe bereitet hatte. Einige Zeit später kehrte er nach London in seine prächtig ausgestattete Wohnung in Carlton House Terrace zurück. Ihm selbst hatten die Ereignisse am wenigsten zugesetzt, und er tat so, als ob nichts vorgefallen wäre.
    Er war ein Mann Mitte der Dreißig und besaß mehr als drei Millionen Pfund Sterling. Infolge seines großen Reichtums waren ihm die Begriffe für Gut und Böse, für Erlaubt und Unerlaubt etwas durcheinandergeraten.
    Wäre dieser Unglücksfall nicht in Paris, sondern in London passiert, dann hätten ihn auch die größten Summen und die besten Advokaten der Welt nicht vor den schlimmen Folgen schützen können.
    An einem herrlichen Novembermorgen, als die Sonne aus einem klaren Himmel auf die kahlen Bäume von Green Park herniederschien, brachte Mr. Guilds Diener diesem das Frühstück ans Bett. Auf dem Tablett lag auch ein eingeschriebener Brief, der aus Paris kam. >Dringend und persönlich! Nicht vom Privatsekretär zu öffnen!< stand rot unterstrichen auf dem Umschlag.
    Miska Guild richtete sich im Bett auf, strich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht und starrte einige Zeit unentschlossen auf den Brief, bevor er ihn seufzend öffnete. Er zog nur einen dünnen Bogen heraus, der eng mit der Maschine beschrieben war und weder Datum, Anrede noch Unterschrift trug.
    Am achtzehnten Oktober fuhren Sie in Begleitung einer kleinen Gesellschaft nach Paris. Auch Miss Ethel Seddings, die Ihren wahren Charakter nicht kannte, hatte sich Ihnen angeschlossen. Sie beging Selbstmord, um Ihren Nachstellungen zu entkommen. Man nennt mich den >Hexer< – mein wirklicher Name ist Henry Arthur Milton. Wenn Sie sich für meine Persönlichkeit interessieren sollten, können Sie alles Nähere von Scotland Yard erfahren. Da Sie ein Mann sind, der große Beziehungen sein eigen nennt, gebe ich Ihnen eine Gnadenfrist, um darüber zu verfügen. Nach einer angemessenen Zeit komme ich nach London und bringe Sie um.
    Miska las den Brief mehrmals durch, drehte das Blatt dann um, fand aber nichts weiter darauf.
    »Zum Teufel, wer ist denn der Hexer«, fragte er, und der Diener, der in diesen Dingen bewandert war, erzählte ihm Verschiedenes über diesen allbekannten Mann. Miska betrachtete den Umschlag von allen Seiten,
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