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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin
Autoren: wood
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gegen den Fels. Ihre nackten Knie waren auf dem rauhen Kalksteinboden bald aufgeschürft, und sie wünschte zu spät, die Kha-kishorts gegen Jeans ausgetauscht zu haben. Trotz aller Hindernisse und möglicher Gefahren ließ sie sich nicht beirren. Vorsichtig rollte sie auf dem Wägelchen weiter, entschlossen herauszufinden, was sich am Ende des Tunnels befand.
    Der Gang wand sich jetzt durch festes Gestein. Neugierig musterte Catherine im Schein der Taschenlampe die relativ glatte Decke und die ebenso glatten Wände. Nach einer Weile kam sie jedoch zu dem Schluß, der Tunnel sei nicht das Werk von Menschen, sondern ein natürlicher Gang. Möglicherweise war er durch ein Erdbeben entstanden oder von Wasser ausgehöhlt worden, das aus einer unterirdischen Quelle stammte.
    Wasser für einen Brunnen?
    Trotz der Kühle trat Catherine der Schweiß auf die Stirn. Ibn Hassan und Krügers Frau hatten berichtet, hier seien Menschen lebend begraben worden. Catherine liefen kalte Schauer über den Rücken. War ihr Traum eine Warnung gewesen? War dieser Ort verflucht?
    Der Gang war plötzlich versperrt. Catherine holte tief Luft. Ihrer Schätzung nach war sie etwa fünfzig Meter von der Öffnung entfernt, wo Hungerford mit seinen Leuten stand und das Sicherungsseil abrollte. Vorsichtig untersuchte sie das Hindernis und stellte zu ihrem Erstaunen fest, daß es sich um die Reste eines Korbes handeln mußte, die zum Teil noch von Steinen umgeben waren. Sie griff danach und zog daran. Der Korb löste sich mühelos aus dem Geröll. Wieder rieselte Sand auf ihren Kopf. Catherine kniff die Augen zusammen und wartete mit angehaltenem Atem. Als sich die Staubwolke gelegt hatte, richtete sie die Taschenlampe nach vorne. Der unterirdische Gang ging weiter.
    Sie nahm die Korbreste zwischen die Arme und legte das Kinn darauf. Dann rollte sie langsam weiter.
    Der Tunnel mündete plötzlich in einen kreisrunden Schacht, der senkrecht nach oben führte. Er hatte einen Durchmesser von etwa fünf bis sechs Metern und war über ihr verschlossen. Catherine sah, daß die Wände aus großen unbehauenen Feuersteinblöcken bestanden, wie sie für Bauten der Bronzezeit typisch waren.
    Habe ich den Mirjam-Brunnen gefunden? Catherine richtete die Taschenlampe nach unten und blickte zitternd über den Rand. Hoffentlich würde sie nicht in den Brunnen fallen. Der Boden war trocken. Sie sah Steine und loses Geröll, das sich offenbar durch die Sprengung gelöst und einen Teil des Schachts zum Einsturz gebracht hatte. Plötzlich entdeckte sie etwas Weißes. Sie verlagerte vorsichtig das Gewicht und streckte den Kopf vor, um besser in die Tiefe blicken zu können.
    Der schwankende Lichtstrahl tanzte über die Steine, und dann sah sie es.
    Dort lag ein Schädel! Der Schädel eines Menschen.
    »Wie schätzen Sie diesen Fund ein?« fragte Hungerford und grinste. »Ich meine in Dollars und Cents. Was, meinen Sie, würde zum Beispiel ein Museum für das Jesus-Fragment zahlen?«
    »Museen zahlen nicht«, erwiderte Catherine und klopfte sich den Staub von der Bluse. »Die privaten Sammler zahlen…« Sie sah Hungerford an. »Aber freuen Sie sich nicht zu früh. Bis jetzt wissen wir nicht, ob das, was ich gefunden habe, überhaupt einen Wert hat.«
    »Wie alt ist das Zeug?« fragte er und deutete auf das Bündel, das sie aus dem Tunnel mitgebracht hatte.
    »Vielleicht siebtes oder achtes Jahrhundert«, antwortete Catherine, während sich alle um sie drängten und neugierig den Fund anstarrten. Catherine war über und über mit Staub und Sand bedeckt. Ihre kastanienbraunen Haare waren wie mit Puder bestäubt. Sie stand zwar wieder im hellen Sonnenlicht und atmete den frischen Meereswind, aber noch immer saß ihr die Angst im Nacken, die sie in dem engen unterirdischen Gang und am Rand des tiefen Brunnens erfaßt hatte.
    »Die Webart des Leinens und die Verschnürung weisen auf eine nachbyzantinische Zeit hin.«
    »Das heißt also«, sagte Hungerford mit gerunzelter Stirn, »es stammt nicht aus dem ersten Jahrhundert?«
    »Leider nein«, antwortete Catherine und versuchte, soviel Enttäuschung wie möglich in ihre Stimme zu legen. Erleichtert stellte sie fest, daß die anderen ebenso enttäuscht waren wie Hungerford. In der vergangenen Stunde, während sie den unterirdischen Gang erkundet hatte, waren die Erwartungen der Leute gestiegen. Alle hatten auf einen spektakulären Fund gehofft. »Und der Wert?« fragte Hungerford verdrießlich, als sei der schlichte, verrottete
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