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Die Propeller-Insel

Die Propeller-Insel

Titel: Die Propeller-Insel
Autoren: Jules Verne
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auch auf der Hand, daß sie hätte schlimme Folgen haben können.
    Das Quartett gelangt so als »Bündel« an die Grenze einer minder dunkeln Waldparcelle. Der Bär hat sich jetzt bis auf zehn Schritte genähert. Sollte er den Ort für günstig zu einem Angriff halten?… Fast scheint es so, denn er verdoppelt sein Brummen und beschleunigt seinen Schritt noch mehr.
    Die kleine Gruppe weicht deshalb noch schneller zurück, und die zweite Violine mahnt dringend:
    »Kaltes Blut!… Den Kopf nicht verlieren!«
    Die Lichtung ist überschritten und der Schutz der Bäume wieder erreicht. Vermindert ist die Gefahr hierdurch doch eigentlich nicht. Von einem Stamme zum andern schleichend, kann das Thier die Verfolgten plötzlich anspringen, ohne daß diese seinem Angriffe zuvorzukommen vermögen, und das mochte der Bär wohl auch vorhaben, als er sein Brummen einstellte und sich etwas zusammenkrümmend fast still hielt….
    Da ertönt eine laute Musik in der dicken Finsterniß, ein ausdrucksvolles Largo, in dem die ganze Seele des Künstlers aufzugehen scheint.
    Yvernes ist es, der die Violine aus dem Etui gezogen hat und sie unter mächtigem Bogenstriche erklingen läßt. Wahrlich, ein Geniestreich! Warum sollten auch Musiker ihr Heil nicht bei der Musik gesucht haben? Sammelten sich die von den Accorden Amphions bewegten Steine nicht freiwillig um Theben an? Legten sich nicht die mit lyrischem Sinne begabten wilden Thiere besänftigt zu Orpheus’ Füßen nieder? Nun, hier kam man zu dem Glauben, daß dieser californische Bär unter atavistischer Beeinflussung ebenso künstlerisch beanlagt gewesen sei, wie seine Kameraden aus der Sage, denn seine Wildheit erlischt unter der hervortretenden Neigung für Melodien, und ganz entsprechend dem Zurückweichen des Quartetts folgt er diesem in gleichem Tempo nach und läßt wiederholt ein leises Zeichen dilettantischer Befriedigung hören. Es fehlte gar nicht viel, daß er »Bravo!« gerufen hätte.
    Eine Viertelstunde später befindet sich Sebastian Zorn mit seinen Gefährten am Saume der Waldung. Sie überschreiten ihn, während Yvernes immer flott drauf losgeigt.
    Das Thier hat Halt gemacht. Es scheint keine Lust zu haben, noch weiter mitzutrotten; dagegen schlägt es die plumpen Vordertatzen aneinander.
    Da ergreift auch Pinchinat sein Instrument und ruft:
    »Den Bärentanz! Und in flottem Tempo!«
    Während nun die erste Violine die weitbekannte Melodie in Dur mit vollen Bogenstrichen heruntergeigt, begleitet sie die Bratsche scharf und falsch in Moll…
    Da fängt das Thier zu tanzen an, hebt einmal die rechte, einmal die linke Tatze hoch auf, dreht und schwenkt sich hin und her und läßt die kleine Gesellschaft unbehelligt sich weiter auf der Straße entfernen.
    »Bah! stößt Pinchinat hervor, das war nur ein Circusbär!
    – Thut nichts, antwortet Frascolin, der Teufelskerl, der Yvernes, hat doch eine famose Idee gehabt.
    – Nun trabt aber davon…
allegretto,
mahnt der Violoncellist, und ohne Euch umzusehen.«
    Es ist gegen neun Uhr abends, wo die vier Jünger Apolls heil und gesund in Freschal eintreffen. Sie haben die letzte Wegstrecke in stark beschleunigtem Schritte zurückgelegt, obgleich der Bär ihnen nicht mehr folgte.
    Etwa vierzig Häuschen oder richtiger Hütten aus Holz rund um einen mit Buchen bestandnen Platz… das ist Freschal, ein vereinsamtes Dorf, das gegen zwei Meilen von der Küste liegt.
     

    Laute Beifallsbezeugungen tönten aus den Fenstern heraus. (S 29.)
     
    Unsre Künstler schlüpfen zwischen zwei, von großen Bäumen beschatteten Wohnstätten hindurch, gelangen damit nach einem freien Platze, in dessen Hintergrunde sich der bescheidne Glockenthurm eines Kirchleins erhebt, sie treten zusammen, als wollten sie ein Musikstück aus dem Stegreif vortragen, und bleiben an der Stelle stehen, um zu berathschlagen.
    »Das… das soll ein Dorf sein? fragt Pinchinat.
    – Na, Du hast doch nicht erwartet, hier eine Stadt von der Art New-Yorks oder Philadelphias zu finden? erwidert Frascolin.
    – Unser Dorf liegt aber bereits im Bett! bemerkt Sebastian Zorn wegwerfend.
    – O, wir wollen ein schlummerndes Dorf ja nicht erwecken! seufzt Yvernes melodisch.
    – Im Gegentheil, laßt es uns munter machen!« ruft Pinchinat.
    Freilich, wenn sie die Nacht nicht unter freiem Himmel zubringen wollten, blieb ihnen am Ende nichts anders übrig.
    Im übrigen ist der Ort völlig verlassen und todtenstill – kein Laden geöffnet, kein Licht hinter einem Fenster. Für
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