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Die Propeller-Insel

Die Propeller-Insel

Titel: Die Propeller-Insel
Autoren: Jules Verne
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versäumen! bemerkt Pinchinat.
    – Wahrhaftig, ein hübscher Gedanke! ruft Sebastian Zorn, der seinen Kasten schüttelt, daß er einen kläglichen Ton von sich giebt.
    – Doch dieser Gedanke, mein alter Kamerad, sagt Pinchinat, rührt ursprünglich von Dir her…
    – Von mir?…
    – Gewiß! Warum sind wir nicht in San Francisco geblieben, wo wir Gelegenheit hatten, eine ganze Sammlung californischer Ohren zu ergötzen!
    – Nun, fragt der Violoncellist, warum sind wir dann fortgegangen?
    – Weil Du es so wolltest.
    – Dann muß ich gestehen, eine beklagenswerthe Eingebung gehabt zu haben, und wenn…
    – Ah, seht einmal da! fällt Yvernes ein, der mit der Hand nach einem bestimmten Punkte des Himmels weist, wo ein dünner Mondstrahl die Ränder einer Wolke mit weißlicher Einfassung säumt.
    – Was giebt es denn, Yvernes?
    – Zeigt jene Wolke nicht ganz die Gestalt eines Drachen mit ausgebreiteten Flügeln und einem Pfauenschwanze mit hundert Argusaugen darauf?«
    Jedenfalls ist Sebastian Zorn nicht mit der Fähigkeit, hundertfältig zu sehen, ausgerüstet, die den Hüter der Tochter des Inachos auszeichnete, denn er bemerkt nicht ein tief ausgefahrenes Geleise, worin er unglücklicherweise mit dem Fuße hängen bleibt. Dadurch fällt er platt auf den Leib, so daß er mit seinem Kasten auf dem Rücken einer großen Coleoptere gleicht, die auf der Erde hinkröche.
    Natürlich kommt der Instrumentalist wieder in Wuth – er hat ja auch alle Ursache dazu – und schimpft auf die erste Violine wegen deren Bewunderung ihres in der Luft schwebenden Ungeheuers.
    »Da ist nur der Yvernes dran schuld! fährt Sebastian Zorn auf. Hätte ich nicht nach seinem verwünschten Drachen gesehen…
    – Es ist gar kein Drache mehr, liebe Freunde, sondern jetzt nur noch eine Amphora! Mit einigermaßen entwickelter Phantasie bemerkt man sie in der Hand der Nektar einschänkenden Hebe…
    – Doch denken wir daran, daß in jenem Nektar verteufelt viel Wasser ist, ruft Pinchinat, und hüten wir uns, daß Deine reizende Göttin der Jugend nicht ein Sturzbad über uns ausgießt!«
    Das hätte die Lage der Wandrer freilich noch verschlimmert, und thatsächlich fängt das Wetter an, mit Regen zu drohen. Die Vorsicht treibt also zur Eile, um in Freschal rechtzeitig Schutz zu finden.
    Man hebt den zornschnaubenden Violoncellisten auf und stellt den Brummbär wieder auf die Füße. Der gefällige Frascolin erbietet sich, ihm seinen Kasten abzunehmen. Sebastian Zorn will das zuerst nicht zugeben… er, sich von seinem Instrumente trennen… einem Violoncell von Gaud und Bernardel… das heißt ja, von einer Hälfte seines Selbst… Er muß sich aber fügen, und somit geht diese kostbare Hälfte auf den Rücken des dienstwilligen Frascolin über, der dafür sein leichtes Etui genanntem Zorn anvertraut. Nun geht es weiter und raschen Schrittes zwei Meilen vorwärts, ohne daß sich etwas Besonderes ereignet. Die mit Regen drohende Nacht wird immer finstrer. Schon fallen einige große Tropfen, der Beweis, daß sie aus hochziehenden, gewitterhaften Wolken stammen. Die Amphora der hübschen Hebe unsers Yvernes entleert sich jedoch nicht weiter, und die vier Nachtwandler dürfen hoffen, Freschal im Zustande vollständiger Trockenheit zu erreichen.
    Immerhin bedarf es noch peinlichster Aufmerksamkeit, um auf dieser finstern Straße nicht zu Fall zu kommen, denn abgesehen von den tiefen Wagenspuren verläuft sie oft in scharfen Krümmungen um vorspringende Felsmassen oder führt neben düstern Schluchten hin, aus denen der Trompetenton der Berggewässer heraufschallt. Wenn Yvernes das bei seiner Sinnesveranlagung poetisch findet, so nennt es Frascolin bei der seinigen mindestens beunruhigend.
    Daneben waren noch unliebsame Begegnungen zu fürchten, die die Sicherheit aller Reisenden auf den Landstraßen Niedercaliforniens sehr zweifelhaft machen. Das Quartett besaß an Waffen aber nur die drei Violin-und den einen Violoncellbogen, die in einem Lande, wo der Colt’sche Revolver erfunden und damals noch erheblich verbessert worden war, doch als etwas unzureichend erscheinen dürften. Wären Sebastian Zorn und seine Kameraden Amerikaner gewesen, so würden sie sich jedenfalls mit dieser handlichen Schutzwaffe versehen haben, die man dort zu Lande immer in einer besondern kleinen Hosentasche bei sich trägt. Um auch nur auf der Bahn von San Francisco nach San Diego zu fahren, würde sich kein waschechter Yankee ohne diesen sechsschüssigen Begleiter
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