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Die Propeller-Insel

Die Propeller-Insel

Titel: Die Propeller-Insel
Autoren: Jules Verne
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man zu sagen pflegt, Blut unter den Nägeln. Yvernes behauptet von ihm auch steif und fest, daß er aus der Familie eines Ajax oder Achilles abstamme, die auch nicht gerade sanftmüthiger Natur waren.
    Um nichts zu vergessen, fügen wir jedoch hinzu, daß, wenn Sebastian Zorn cholerisch, Yvernes phlegmatisch, Frascolin friedlich und Pinchinat von übersprudelnder Lustigkeit war, doch alle gute Kameradschaft hielten und für einander eine wahrhaft brüderliche Freundschaft hegten. Sie fühlten sich vereinigt durch ein Band, das keine Meinungsverschiedenheit, keine Eigenliebe zu zerreißen vermochte, durch eine Uebereinstimmung der Neigungen und des Geschmacks, die ein und derselben Quelle entstammte. Ihre Herzen bewahrten wie gute Instrumente stets eine ungestörte Harmonie.
    Während Sebastian Zorn darauf loswettert, indem er seinen Violoncellkasten betastet, um sich zu versichern, daß er noch heil und ganz ist, tritt Frascolin an den Wagenführer heran.
    »Nun, lieber Freund, fragt er, was meint Ihr denn, was wir jetzt beginnen?
    – Beginnen? antwortet der Mann. Wenn man weder Pferde noch Wagen mehr hat… da wartet man eben…
    – Warten, bis zufällig einer kommt! ruft Pinchinat. Und wenn nun keiner käme…
    – Da sucht man nach einem, bemerkt Frascolin, den sein praktischer Sinn niemals verläßt.
    – Doch wo? poltert Zorn hervor, der wüthend auf der Straße hin-und herläuft.
    – Wo?… Ei da, wo sich einer befindet, erwidert der Rosselenker.
    – Sapperment, Sie Kutschenbockbewohner, fährt der Violoncellist mit einer Stimme auf, die schon allmählich in die höchsten Register übergeht, soll das etwa eine Antwort sein? So ein ungeschickter Mensch, der uns umwirft, seinen Wagen zertrümmert und die Pferde zu Krüppeln macht, und der begnügt sich zu erklären: »Ziehen Sie sich aus der Klemme, so gut und so schlecht es eben angeht!«
    Von seiner angebornen Zungenfertigkeit fortgerissen, verirrt sich Sebastian Zorn in eine endlose Reihe mindestens nutzloser Verwünschungen, bis Frascolin ihn unterbricht mit den Worten:
    »Na, überlass’ das nur mir, alter Freund!«
    Dann wendet er sich nochmals an den Wagenführer.
    »Wo befinden wir uns denn jetzt, guter Mann?
    – Fünf (amerikanische) Meilen von Freschal.
    – Ist das etwa Eisenbahnstation?
    – Nein… ein Dorf in der Nähe der Küste.
    – Würden wir dort einen Wagen finden?
    – Einen Wagen wohl nicht, vielleicht aber einen Karren…
    – Einen Ochsenkarren, wie zur Zeit der Merowinger! ruft Pinchinat.
    – Das kann uns auch gleichgiltig sein, meint Frascolin.
    – Frage lieber, nimmt Sebastian Zorn wieder das Wort, ob sich in dem Neste, dem Freschal, ein Gasthaus vorfindet.
    – Ja wohl, das giebt’s; dort hätten wir einen kurzen Halt gemacht.
    – Und um nach diesem Dorfe zu gelangen, brauchen wir nur der Landstraße zu folgen?
    – Ganz gradeaus.
    – Dann also marsch! befiehlt der Violoncellist.
    – Es wäre doch grausam, den wackern Mann hier in seiner Noth liegen zu lassen, bemerkt Pinchinat. He, guter Freund, wenn wir Sie nun unterstützten, könnten Sie dann nicht…
    – Ganz unmöglich! antwortet der Kutscher. Uebrigens ziehe ich es vor, hier, bei meinem Wagen zu bleiben. Wenn’s erst wieder Tag wird, werd’ ich schon sehen, wie ich fortkomme.
    – Wenn wir in Freschal sind, bemerkt Frascolin, könnten wir Ihnen ja Hilfe schicken.
    – Ja, der dortige Gastwirth kennt mich und wird mich nicht in der Noth sitzen lassen.
    – Geht’s nun fort? mahnt der Violoncellist, der seinen Instrumentenkasten schon aufgerichtet hat.
    – Sofort, erwidert Pinchinat. Vorher wollen wir unsern Kutscher nur dort an die Erdwand hinüberschaffen.«
    Natürlich war es einfache Menschenpflicht, den Mann von der Landstraße wegzubringen, und da er sich seiner schwerverletzten Beine nicht bedienen konnte, hoben Pinchinat und Frascolin ihn auf, trugen ihn nach der Seite des Weges und lagerten ihn zwischen die oberirdischen Wurzeln eines dicken Baumes, dessen herabhängende, unterste Zweige fast eine Blätterlaube bildeten.
    »Na, wird’s nun endlich? drängt Sebastian Zorn zum dritten Male, nachdem er sich den Violoncellkasten schon mittelst mehrerer Riemen so gut wie möglich auf den Rücken geschnallt hatte.
    – So, das wäre geschehen,« sagte Frascolin gelassen.
    Dann wendet er sich noch einmal an den Wagenführer.
    »Es bleibt also dabei; der Gastwirth von Freschal sendet Ihnen Hilfe. Haben Sie bis dahin vielleicht noch ein besonderes Bedürfniß,
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