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Die Propeller-Insel

Die Propeller-Insel

Titel: Die Propeller-Insel
Autoren: Jules Verne
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auf die Reise begeben haben. Unsre Franzosen hatten das freilich nicht für nöthig erachtet. Fügen wir hinzu, daß sie daran gar nicht gedacht und es doch vielleicht zu bereuen haben dürften.
    Pinchinat marschiert an der Spitze und behält die Böschungen der Straße scharf im Auge. Wo diese von rechts und links her sehr eingeengt erscheint, ist ein unerwarteter Ueberfall weniger zu fürchten. Als Bruder Lustig wandelt ihn immer einmal das Verlangen an, seinen Kameraden »einen gelinden Schrecken einzujagen«, z. B. dadurch, daß er plötzlich stehen bleibt und mit vor Schreck bebender Stimme murmelt:
    »Halt!… Da unten… was seh’ ich da?… Halten wir uns fertig, Feuer zu geben!«
    Wenn der Weg sich aber durch einen dichten Wald hinzieht, inmitten der Mammuthbäume, der hundertfünfzig Fuß hohen Sequoias, jener Pflanzenriesen des californischen Landes… dann vergeht ihm selbst die Lust zum Scherzen. Hinter jedem dieser ungeheuern Stämme können sich bequem zehn Mann verbergen. Sollten sie hier nicht das Aufblitzen eines hellen Scheines, dem ein trockner Knall folgt, zu sehen, nicht das schnelle Pfeifen einer Kugel zu hören bekommen? An solchen, für einen nächtlichen Ueberfall wie geschaffenen Stellen heißt es die Augen offen halten. Und wenn man zum Glück nicht mit Banditen zusammenstößt, so rührt das daher, daß diese ehrsame Zunft aus dem Westen Amerikas ganz verschwunden ist, oder sich jetzt nur noch Finanzoperationen an den Märkten der Alten und der Neuen Welt widmet. Welches Ende für die Nachkommen eines Karl Moor, eines Johann Sbogar! Und wem sollten derlei Gedanken kommen, wenn nicht unserm Yvernes? Entschieden – – meint er – ist das Stück der Decoration nicht werth!
    Plötzlich bleibt Pinchinat wie angewurzelt stehen.
    Frascolin thut desgleichen.
    Sebastian Zorn und Yvernes gesellen sich sofort zu beiden.
    »Was giebt es? fragt die zweite Violine.
    – Ich glaubte, etwas zu sehen,…« antwortet die Bratsche.
    Diesmal handelt es sich nicht um einen Scherz seinerseits. Offenbar bewegt sich eine Gestalt zwischen den Bäumen hin.
    »Eine menschliche oder thierische? erkundigt sich Frascolin.
    – Das weiß ich selbst nicht.«
    Was jetzt am besten zu thun sei, das unterfing sich niemand zu sagen. Dicht aneinander gedrängt, starren alle laut-und bewegungslos vor sich hin.
    Durch einen Wolkenspalt fließen die Strahlen des Mondes auf den Dom des dunkeln Waldes herab, dringen durch die Aeste der Sequoias und erreichen noch den Erdboden. Im Umkreis von hundert Schritten ist dieser etwas sichtbar.
    Pinchinat hat sich nicht getäuscht. Zu groß für einen Menschen, kann diese Masse nur einem gewaltigen Vierfüßler angehören. Doch welchem Vierfüßler?… Einem Raubthiere?… Jedenfalls einem solchen… doch welchem Raubthiere?
    »Ein Plantigrade! sagt Yvernes.
    – Zum Teufel mit dem Vieh, murmelt Sebastian Zorn mit verhaltener, aber grimmiger Stimme, und mit dem Vieh meine ich mehr Dich, Yvernes!… Kannst Du nicht wie andre vernünftige Menschen reden? Was ist denn das, ein Plantigrade?
    – Ein Thier, das auf vier Tatzen, und zwar auf den ganzen Sohlen läuft, erklärt Pinchinat.
    – Ein Bär!« setzt Frascolin hinzu.
    Es war in der That ein Bär, und zwar ein ganz mächtiges Exemplar. Löwen, Tigern oder Panthern begegnet man in den Wäldern Nieder-Californiens nicht. Deren gewöhnliche Bewohner sind nur die Bären, mit denen, wie man zu sagen pflegt, nicht gut Kirschen essen ist.
    Man wird sich nicht verwundern, daß unsre Pariser in voller Uebereinstimmung den Gedanken hatten, diesem Plantigraden den Platz zu überlassen, der ja eigentlich »bei sich zu Hause« war. So drängt sich unsre Gruppe denn noch dichter zusammen und marschiert langsam, doch in strammer Haltung und das Aussehen von Fliehenden vermeidend, mit dem Gesicht nach dem Raubthiere gewendet rückwärts.
    Der Bär trottet kurzen Schrittes den Männern nach, wobei er die Vordertatzen gleich Telegraphenarmen bewegt und in den Pranken schwerfällig hin-und herschwankt. Allmählich kommt er näher heran und sein Verhalten wird etwas feindseliger… sein heiseres Brummen und das Klappen der Kinnladen sind ziemlich beunruhigend.
    »Wenn wir nun alle nach verschiednen Seiten Fersengeld gäben? schlägt Seine Hoheit vor.
    – Nein, das lassen wir bleiben, antwortet Frascolin. Einer von uns würde doch von dem Burschen gehascht und müßte allein für die andern zahlen.«
    Diese Unklugheit wurde nicht begangen, und es liegt
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