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Die Propeller-Insel

Die Propeller-Insel

Titel: Die Propeller-Insel
Autoren: Jules Verne
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Harmonie, der menschliche Wesen, wenn sie nicht gerade mit Taubheit geschlagen sind, unmöglich widerstehen können. Ja, befanden sie sich auch, wie Yvernes vermuthete, auf einem Kirchhof, so hätten sich die Gräber öffnen, die Todten aufrichten müssen und die Skelette hätten gewiß die Hände zusammengeschlagen….
    Und dennoch bleiben die Häuser geschlossen, die Schläfer erwachen auch jetzt nicht. Das Musikstück endigt mit den Prachtsätzen seines mächtigen Finale, ohne daß Freschal ein Lebenszeichen von sich giebt.
    »Da sitzt doch der Teufel drin! polterte Sebastian Zorn auf dem Gipfel der Wuth hervor. Bedarf es denn für die Ohren dieser Wilden eines Charivari, wie für den Bären?… Auch gut, wir fangen noch einmal von vorne an, doch Du, Yvernes spielst in D-, Du, Frascolin in
E.
und Pinchinat in
G-dur.
Ich selbst bleibe in H-moll, und nun aus Leibeskräften los!«
    Das gab aber einen Mißklang zum Trommelfellzersprengen! Es erinnerte an das improvisierte Orchester, das der Prinz von Joinville dereinst in einem unbekannten Dorfe des brasilianischen Gebietes dirigierte. Es klang, als ob man auf »Essigkannen« eine entsetzliche Symphonie mit verkehrtem Bogenstrich executiert hätte.
    Pinchinat’s Gedanke erwies sich übrigens als vortrefflich. Was ein ganz ausgezeichneter musikalischer Vortrag nicht erzielte, das erzielte dieses gräuliche Durcheinander. Freschal fängt an aufzuwachen. Da und dort erhellen sich die Fenster. Die Bewohner des Dorfes sind also nicht todt, da sie jetzt Lebenszeichen verrathen. Sie sind auch nicht taub, da sie hören und lauschen.
    »Die Leute werden uns mit Aepfeln bombardieren, sagt Pinchinat während einer Pause, denn trotz mangelndem Einklang des Tonstücks ist dessen Takt doch eingehalten worden.
    – O, desto besser; dann essen wir sie;« antwortet der praktische Frascolin.
    Und auf Commando Sebastian Zorn’s beginnt das kakophonische Concert von neuem. Nach Beendigung desselben mit einem mächtigen »
Dis«
-Accord in vier verschiedenen Tonlagen halten die Musiker ein.
    Nein, mit Aepfeln wirft hier keiner aus den zwanzig oder dreißig geöffneten Fenstern, sondern laute Beifallsbezeugungen, kräftige Hurrahs und scharftönende Hips schallen daraus hervor. Die freschalischen Ohren haben sich jedenfalls noch niemals eines solchen musikalischen Hochgenusses erfreut, und es unterliegt keinem Zweifel, daß jetzt jedes Haus willig ist, so unvergleichliche Virtuosen gastlich aufzunehmen.
    Doch während diese sich ihrer musikalischen Verzückung völlig hingaben, ist ein Zuschauer und Zuhörer, ohne daß sie seine Annäherung bemerkten, bis auf wenige Schritte herangetreten. Diese aus einer Art elektrischen Kremsers ausgestiegene Persönlichkeit wartet an einer Ecke des Platzes. Es ist ein hochgewachsener, wohlbeleibter Mann, soweit das bei der Dunkelheit zu erkennen war.
    Während sich dann unsre Pariser Kinder noch fragen, ob sich nach den Fenstern auch die Thüren der Häuser öffnen werden, um sie aufzunehmen – was mindestens noch ungewiß ist – nähert sich der neue Ankömmling noch weiter und spricht in liebenswürdigstem Tone und im reinsten Französisch:
    »Ich bin Kunstliebhaber, meine Herren, und eben jetzt so glücklich gewesen, Ihnen Beifall zollen zu dürfen.
    – Während unsres letzten Musikstücks? erwidert Pinchinat ironisch.
    – Nein, meine Herren, während des ersten; ich habe das Quartett von Onslow selten in so vollendeter Weise spielen hören.«
    Der Mann ist offenbar ein Kenner.
    »Mein Herr, antwortet ihm Pinchinat im Namen seiner Gefährten, wir sind Ihnen für Ihre Anerkennung sehr verbunden. Hat unsre zweite Nummer Ihre Ohren zerrissen, so kommt das daher…
    – Mein Herr, fällt ihm der Unbekannte ins Wort und schneidet damit einen Satz ab, der jedenfalls sehr lang geworden wäre, ich habe niemals mit gleicher Vollendung so falsch spielen hören. Ich durchschaue es aber, weshalb Sie zu diesem Auswege griffen: Sie wollten die wackern Bewohner von Freschal, die schon im tiefsten Schlafe liegen, aufwecken. Nun, meine Herren, gestatten Sie mir, Ihnen das anzubieten, was Sie mit jenem seltsamen Mittel erstrebten…
    – Gastliche Aufnahme? fragt Frascolin.
    – Gewiß, eine ultraschottische Gastfreundschaft. Irre ich mich nicht, so steht vor mir das Concert-Quartett, das in unserm herrlichen Amerika überall berühmt ist, und gegen das letzteres mit seinem Enthusiasmus nicht gegeizt hat…
    – Verehrter Herr, glaubt Frascolin hier einflechten
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