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Die Propeller-Insel

Die Propeller-Insel

Titel: Die Propeller-Insel
Autoren: Jules Verne
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das Schloß Dornröschens wären hier alle Vorbedingungen ungestörtester Ruhe gegeben gewesen.
    »Wo ist denn nun das Gasthaus? fragt Frascolin.
    – Ja, das Gasthaus, von dem der Kutscher sprach, wo seine verunglückten Fahrgäste freundliche Aufnahme und gutes Nachtlager finden sollten?«…
    Und der Gastwirth, der sich beeilen würde, dem noch schlimmer verunglückten Coachman Hilfe zu senden?… Sollte der arme Kerl das alles nur geträumt haben?… Oder – eine andre Hypothese – sollten sich Sebastian Zorn und seine Gesellschaft verirrt haben?… Wäre das gar nicht die Dorfschaft Freschal?…
    Diese verschiednen Fragen verlangen schleunige Beantwortung. Es ergiebt sich also die Nothwendigkeit, einen der Landesbewohner zu befragen und, um das zu können, an die Thür eines der kleinen Häuser zu klopfen… womöglich an die des Gasthofs, wenn ein glücklicher Zufall diesen entdecken läßt.
    Die vier Musiker beginnen also eine Untersuchung der finstern Ortschaft und streifen an den Häuserfronten hin, um vielleicht irgendwo ein heraushängendes Schankzeichen zu erspähen. Von einem Gasthofe findet sich aber keine Spur.
    Giebt es auch keine Herberge, so ist doch gar nicht anzunehmen, daß sich nicht wenigstens eine gastfreundliche Hütte fände, und da man hier nicht in Schottland ist, kann man auf amerikanische Weise vorgehen. Welcher Eingeborene von Freschal würde es wohl abschlagen, ein oder auch zwei Dollars für die Person für ein Abendessen und ein Nachtlager anzunehmen?
    »Also vorwärts, wir klopfen, sagte Frascolin.
    – Doch im Takte, setzte Pinchinat hinzu, und zwar im Sechsachteltakte!«
    Hätten sie auch im Drei-oder Viervierteltakte gepocht, der Erfolg wäre doch derselbe gewesen. Keine Thür, kein Fenster öffnet sich, und das Concert-Quartett hatte schon ein Dutzend Häuser in gleicher Weise um Antwort ersucht.
    »Wir haben uns getäuscht, erklärt Yvernes. Das ist gar kein Dorf, sondern ein Friedhof, und was man hier schläft, ist der ewige Schlaf…
Vox clamantis in deserto.
    – Amen!« antwortet Seine Hoheit mit der tiefen Stimme eines Kirchencantors.
    Was war nun zu thun, da dieses Grabesschweigen beharrlich fortdauert? Etwa nach San Diego zu weiter zu marschieren? Die Musiker kommen vor Hunger und Erschöpfung bald um. Und dann, welchen Weg sollten sie, ohne Führer und in stockfinstrer Nacht, einschlagen?… Sollten sie vielleicht versuchen, ein andres Dorf zu erreichen?… Ja, welches denn? Nach Aussage des Coachman lag kein weiteres an der Küste. Voraussichtlich verirrten sie sich dabei nur noch mehr. Am rathsamsten erschien es, den Tag abzuwarten. Und doch, ein halbes Dutzend Stunden ohne Obdach hinzubringen, unter einem Himmel, der sich mit dicken Wolken überzieht, die früher oder später mit einer Sündfluth drohen, das kann man doch niemand, auch nicht Künstlern, zumuthen.
    Da kam Pinchinat auf einen Gedanken. Seine Gedanken sind zwar nicht immer die besten, sprudeln aber massenhaft in seinem Gehirn auf. Der jetzige hatte sich übrigens der Zustimmung des weisen Frascolin zu erfreuen.
    »Kameraden, sagte er, warum sollte das Mittel, das gegen einen wilden Bären von Erfolg war, nicht auch gegenüber einem californischen Dorfe erfolgreich sein? Wir haben jenen Plantigraden durch ein bischen Musik gezähmt… erwecken wir nun das Landvolk hier durch ein lärmendes Concert, wobei wir’s an einem Forte und einem Allegro nicht fehlen lassen…
    – Das wäre des Versuchs werth,« meinte Frascolin.
    Sebastian Zorn hat Pinchinat nicht einmal seine Worte vollenden lassen, sondern bereits das Violoncell aus dem Kasten geholt, es auf der eisernen Spitze aufgerichtet vor sich hingestellt, und steht, da er keinen Sitz zur Verfügung hat, mit dem Bogen in der Hand schon bereit, dessen klingendem Bauche alle darin aufgespeicherten Töne zu entlocken.
    Fast gleichzeitig sind seine Kameraden fertig, seinem Beispiele, wohin es sei, zu folgen.
    »Das H-moll-Quartett von Onslow, ruster. Anfangen! Ein paar Takte umsonst!«
    Dieses Quartett von Onslow kannten sie auswendig, und geübte Streichmusikanten brauchten gewiß auch keine Beleuchtung dazu, ihre geschickten Finger über das Griffbrett eines Violoncells, zweier Violinen und einer Bratsche gleiten zu lassen.
    So folgen sie denn alle ihrer künstlerischen Eingebung. Noch nie haben sie wohl in den Casinos oder auf den Bühnen des amerikanischen Bundesstaates mit mehr Talent und Innigkeit gespielt. Da ertönt eine wahrhaft himmlische
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