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Die Propeller-Insel

Die Propeller-Insel

Titel: Die Propeller-Insel
Autoren: Jules Verne
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Dollars.
    Von dieser Modetollheit unterrichtet, unternahmen es vier hochangesehene Instrumentalisten, sich in den Vereinigten Staaten von Amerika Ruhm und Schätze zu erringen. Es waren vier gute Kameraden, frühere Schüler des Pariser Conservatoriums und in der französischen Hauptstadt sehr bekannte Leute, die vorzüglich von den Liebhabern der in Amerika noch wenig verbreiteten sogenannten »Kammermusik« besonders geschätzt wurden. Mit welch seltener Vollendung, welch herrlichem Zusammenspiel und tiefem Verständniß brachten sie aber auch die Werke eines Mozart, Beethoven, Mendelssohn, Haydn und Chopin zu Gehör, diese unsterblichen Compositionen, die für vier Streichinstrumente, eine erste und eine zweite Geige, eine Bratsche und ein Violoncell, geschrieben sind! Da gab es keinen Lärm, nichts Geschäftsmäßiges, wohl aber eine tadellose Ausführung, eine unvergleichliche Virtuosität! Die Erfolge des Quartetts erscheinen um so begreiflicher, als man jener Zeit gerade anfing, der ungeheuern harmonischen und symphonischen Orchester müde zu werden. Ist die Musik auch immer eine aus kunstvoll combinirten sonoren Wellen erzeugte Seelenerschütterung, so braucht man diese Wellen doch nicht zu betäubenden Sturmfluthen zu entfesseln.
    Kurz, unsre vier Musiker beschlossen, die Amerikaner in die sanften und unaussprechlichen Genüsse der Kammermusik einzuführen. Sie reisten zusammen nach der Neuen Welt, und seit zwei Jahren sparten ihnen gegenüber die Yankee-Dilettanten auch in keiner Weise, weder mit Hurrahs, noch mit ebenso erhebend klingenden Dollars. Ihre musikalischen Matinéen oder Soiréen waren außerordentlich begehrt. Das »Concert-Quartett« – so lautete die übliche Bezeichnung – war kaum im Stande, den Einladungen der reichen Leute nachzukommen. Ohne jenes gab es kein Fest, keine Réunion, keinen Raout, keinen Five o’clock-Thee, ja keine Gardenparties, die der öffentlichen Aufmerksamkeit empfohlen zu werden verdient hätten. Bei dieser allgemeinen Begeisterung hatte genanntes Quartett schon ganz gewaltige Summen eingeheimst, die, wenn sie sich in den Panzerschränken der Bank von New-York aufgesammelt hätten, schon ein recht hübsches Capital dargestellt haben würden. Doch – warum sollten wir es verheimlichen? – unsre amerikanischen Pariser streuten das Geld auch mit vollen Händen wieder aus. Die Fürsten des Bogens, die Könige von vier Saiten dachten gar nicht ans Aufspeichern von Schätzen. Sie hatten an ihrem etwas abenteuerlichen Leben Geschmack gefunden in der Gewißheit, überall gute Aufnahme und reichlichen Verdienst zu finden, und so flatterten sie von New-York nach San Francisco, von Quebec nach Neu-Orléans, von Neu-Schottland nach Texas – vielleicht etwas
à la
Bohème, aber in der Bohème der Jugend, die ja die älteste, liebenswürdigste und beneidenswertheste überall auf Erden ist.
    Wenn wir uns nicht arg täuschen, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, die Leutchen persönlich und mit Namen denen unsrer freundlichen Leser vorzustellen, die das Vergnügen, jene zu hören, weder gehabt haben, noch je haben werden.
    Yvernes – die erste Violine – zweiunddreißig Jahre alt, von etwas übermittler Statur, bestrebt mager zu bleiben, hat blondes, unten etwas gelocktes Haar, glattes Gesicht, große dunkle Augen, lange Hände, die dazu geschaffen scheinen, auf seiner Guarnerio alles mögliche zu greifen, zeigt elegantes Auftreten, liebt es, sich in einen dunkelfarbigen Mantel zu hüllen, trägt gern einen hochköpfigen Seidenhut, ist vielleicht etwas schauspielerischer »Poseur«, doch jedenfalls der Harmloseste der Gesellschaft, der sich um Geldangelegenheiten nicht kümmert sondern vor allem andern Künstler, begeisterter Bewunderer alles Schönen und Virtuose von großem Talent und glänzender Zukunft ist.
    Frascolin – die zweite Violine – dreißig Jahre alt, klein, mit Neigung zu Fettleibigkeit, worüber er oft in helle Wuth geräth, braun von Bart-und Kopfhaar, mit starkem Kopf, dunkeln Augen, langer Nase mit sehr beweglichen Flügeln und gerötheten Flecken an den Stellen, wo die Federn seines goldgefaßten Lorgnons mit stark concaven Gläsern, das er leider nicht entbehren kann, aufsitzen. Uebrigens ein gutmüthiger, zuvorkommender, dienstwilliger Mann, der sich jeder Mühewaltung unterzieht, um sie seinen Collegen zu ersparen, führt er die Casse für das Quartett und empfiehlt immer äußerste Sparsamkeit, freilich ohne damit je Gehör zu finden. Ohne jeden Neid
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