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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland
Autoren: Edward Rutherfurd
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eingeritzten Steine dieser
uralten Anlagen betrachtete, machte er die Beobachtung, dass die Muster der
Zeichnungen denjenigen ähnlich waren, die die Metallarbeiten seiner eigenen
Zeit zierten. Er hatte auch Stücke aus fein gewirktem Gold mit ähnlichen
Zeichen gesehen, die man in Mooren und anderen Orten gefunden hatte und die,
wie er vermutete, sehr alt waren. Goibniu war ein Fachmann in diesen Dingen.
Hatten die Stämme, die später hierher gekommen waren, tatsächlich die
Zeichnungen kopiert, die die Rasse der Göttin Dana, die das Land verließ,
hinterlassen hatte? War es nicht wahrscheinlicher, dass einige der früheren Menschen
zurückgeblieben waren und ihre Kunstfertigkeiten weitergegeben hatten? Und
überhaupt: Konnte ein ganzes Volk, ob göttlich oder nicht, wirklich unter den
Hügeln verschwinden?
    Der
Schmied warf seinen kalten Blick auf den Sid. Dort gab es einen
Stein, der stets seine Aufmerksamkeit erregte, wenn er an ihm vorüberkam. Es
war leicht abgeflacht und hatte etwa sechs Fuß Durchmesser. Er befand sich
unmittelbar vor dem früheren Eingang.
    Was
für ein seltsames Ding. Die wirbelnden Linien, die in den Stein eingemeißelt
worden waren, bildeten verschiedene Muster, deren auffälligstes die riesige
kleeblattförmige dreifache Spirale auf der linken Seite bildete. Wie bereits
viele Male zuvor ließ Goibniu seine Hände über den Stein gleiten, dessen sandig
raue Oberfläche sich in der warmen Sonne angenehm kühl anfühlte. Die größte
Spirale war eine doppelte, wie ein Aalpaar, das in engen Windungen, die ihre
Köpfe in der Mitte umschlossen, ineinander verschlungen war. Folgte man den
Windungen nach außen, so gingen sie in die zweite, eine weitere zweifache
Spirale darunter über. Die dritte Spirale, eine einfache, ruhte tangential auf
den wirbelnden Schultern der beiden anderen. Und von ihren äußeren Rändern aus
versammelten sich die Rillen in den Winkeln, in denen sich die Spiralen wie
Gezeitenmarken in einer Meeresbucht trafen, bevor sie in wirbelnden Flüssen um
den Stein herum weiterströmten.
    Was
hatten diese Linien zu bedeuten? Welche Bedeutung hatte die dreiteilige
Kleeblattform? Drei Spiralen, miteinander verbunden und doch unabhängig für
sich, stets nach innen führend und zugleich auch nach außen strömend in ein
endloses Nichts. Waren es Symbole der Sonne und des Mondes und der Erde
darunter? Oder die drei heiligen Flüsse einer halb vergessenen Welt?
    Einmal
hatte er einen Verrückten ein solches Muster zeichnen sehen. Es war just in
dieser Zeit des Jahres, kurz vor der Ernte gewesen, wenn der letzte Rest des
alten Korns zu schimmeln beginnt und arme Leute, die es verzehren müssen, sich
wunderlich gebärden und wilde Träume haben. Er hatte den Mann zufällig am
Meeresstrand getroffen, allein, riesenhaft und barhäuptig saß er da, und mit
einem zerfledderten Stecken in der Hand zog er Spiralen genau wie diese in den
leeren Sand. War er ein Verrückter gewesen oder ein Mann des Wissens? Goibniu
wusste es nicht. Aber wer immer diese Spiralen gezeichnet hatte, ob es einer
der Tuatha De Danann war oder nicht, Goibniu hatte das Gefühl, ihn zu kennen
wie nur ein Handwerker im Stande war, seinesgleichen zu erkennen.
    Und
dann war es plötzlich über ihn gekommen. Es war ein sonderbares Gefühl. Nichts,
was man irgendwie benennen konnte. Eine Art inneres Echo.
    Die
Zeit von Lughnasa nahte. Es würde eine Reihe großer Feste auf der Insel geben,
und obwohl er kurz erwogen hatte, die großen Spiele von Leinster in Carmun zu
besuchen, hatte er dieses Jahr eigentlich vor, sich woandershin zu begeben. Als
er aber jetzt vor dem Stein mit den Spiralen stand, überkam Goibniu das Gefühl,
dass er dennoch nach Carmun gehen sollte, obwohl er nicht wusste, warum.
    Er
lauschte. Alles war still. Und doch schien in dieser Stille an sich bereits
eine Bedeutung zu liegen, eine Botschaft, die von einem noch weit entfernten
Boten herangetragen wurde wie eine Wolke, die noch verborgen hinter dem
Horizont liegt. Goibniu war ein praktischer, nüchterner Mann; er neigte nicht
zu närrischen Launen oder Hirngespinsten. Und doch konnte er nicht leugnen,
dass er hin und wieder, während er über die Insel gewandert war, das Gefühl
gehabt hatte, als wüsste er Dinge, die er sich nicht erklären konnte. Er
wartete. Da war es wieder, dieses Echo, wie ein halb erinnerter Traum. Etwas
ganz Sonderbares, so schien ihm, würde sich in Carmun ereignen.
    Solche
Ahnungen sollte man nicht ignorieren. Sein
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