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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland
Autoren: Edward Rutherfurd
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Mann finden würde.
    Aber
damit hatte sie keine Eile. Schließlich war sie erst siebzehn Jahre alt. Nie
war sie einem Mann begegnet, den sie hätte heiraten wollen; und wahrscheinlich
würde eine Hochzeit sie von der ruhigen Flussmündung bei Dubh Linn fortführen,
die sie so liebte. Ganz gleich, welche Probleme ihr Vater mit seinen Schulden
haben mochte, war sie sich nicht sicher, ob sie im Moment überhaupt fortgehen
und damit ihren Vater und ihre Brüder ohne eine Frau, die sich um das Hauswesen
kümmerte, zurücklassen sollte.
    Der
Rest des Tages war geruhsam verlaufen. Ihr Vater erweckte zumindest den
Anschein, als sei er gut gelaunt – und dafür musste man dankbar sein. Mit etwas
Glück würde er in keine Streithändel geraten. Und vielleicht würde es ihm auch
nicht gelingen, einen angemessenen Mann für sie zu finden. Dann konnten sie
alle in Frieden wieder nach Hause zurückkehren.
    Am
späten Vormittag gelangten sie zu einem Weiler, in dem es Leute gab, die ihr
Vater kannte; aber dies eine Mal machte er nicht Halt, um mit ihnen zu
palavern. Und schon bald begann die Straße, als die Liffey sich nach Süden
wandte, von dem immer enger werdenden Flusstal fort zu höherem Gelände
anzusteigen, und zwar in westlicher Richtung. Gegen Mittag erreichten sie eine
Stelle, wo sich die Bäume lichteten, und sie gelangten auf eine weite Ebene von
torfigem Heideland, übersät mit Ginsterbüschen.
    »Dort
werden wir rasten«, rief ihr Vater und deutete auf einen Gegenstand ein Stück
weit voraus.
    Die
Mittagssonne schien angenehm warm, während sie im Gras saßen und von der
leichten Wegzehrung nahmen, die Deirdre für sie eingepackt hatte. Fergus
genehmigte sich ein paar Schlucke helles Bier, um sein Brot hinunterzuspülen.
    Die
Stelle, die er gewählt hatte, war ein kleiner Erdwallring neben einem einzeln
stehenden Menhir. Diese aufrecht stehenden Steine, entweder einzeln oder
angeordnet in Gruppen, waren, so glaubte man, dort entweder von den Vorfahren
oder von Göttern aufgestellt worden. Dieser Stein hier war etwa mannshoch und
überragte eine riesige bewaldete Ebene, die sich nach Westen bis an den
Horizont erstreckte. In der großen Stille unter der Augustsonne machte der alte
graue Stein einen freundlichen Eindruck auf Deirdre. Nachdem sie ihr Mahl
verzehrt hatten, streckten sie sich, um eine Weile auszuruhen, in der Sonne
aus, während die Pferde friedlich in der Nähe grasten. Schon bald verriet ihr
das ruhige Schnarchen ihres Vaters, dass er sich ein kleines Schläfchen gönnte,
und bald darauf döste auch Deirdre ein.
    Jäh
wachte sie auf. Ihr wurde klar, dass sie eine ganze Weile eingenickt sein
musste, denn die Sonne war ein gutes Stück gewandert. Sie war leicht benommen.
Während sie in die Sonne blinzelte, die über der weiten Ebene hing, hatte sie
plötzlich eine wunderliche Vision, als sei die Sonne ein Rad mit Speichen, ganz
sonderbar und bedrohlich wie das eines Streitwagens. Sie schüttelte den Kopf,
um die letzten Nebel des Schlafs zu verbannen, und herrschte sich an, nicht
töricht zu sein.
    Und
doch wollte es ihr für den Rest des Tages und auch in der Nacht, als sie wach
dalag und keinen Schlaf fand, nicht gelingen, dieses vage Gefühl von Unbehagen
abzuschütteln.
    Goibniu
traf am späten Vormittag ein und ließ seinen Blick über die Szene schweifen.
    Lughnasa:
einen Monat nach der Sommersonnwende, die Feier der nahenden Ernte, ein Fest,
auf dem man Ehen arrangierte. Ihm gefiel der Schutzgott des Festes – Lugh, der
Strahlende; der Langarm; der Magier und Meister jeder Kunst und Fertigkeit, der
tapfere Krieger, der Heiler.
    Aus
allen Richtungen trafen die Leute in Carmun ein: Häuptlinge, Krieger, Athleten
von Stämmen aus sämtlichen Regionen der Insel. Goibniu fragte sich, wie viele
Stämme es wohl waren. Vielleicht hundertfünfzig? Manche waren größer und wurden
von mächtigen Clans regiert; andere waren bescheidener und wurden von
untergeordneten septs oder Sippen
beherrscht; wieder andere waren nur eine kleine Gruppe von Familien, die
vermutlich einen einzigen gemeinsamen Ahnen besaßen, bezeichneten sich aber
dennoch stolz als Stamm und hatten einen eigenen Häuptling. Auf einer Insel,
die die Natur durch Berge und Moore in eine Vielzahl kleiner Territorien
unterteilt hatte, war es für jeden Stamm ein Leichtes, sein eigenes Land zu
besitzen, in dessen Zentrum es gewöhnlich einen heiligen Ahnenort gab, der
zuweilen nur durch eine Eberesche gekennzeichnet war.
    * * *
    Aber wer
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