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Das Reich der Katzen (German Edition)

Das Reich der Katzen (German Edition)

Titel: Das Reich der Katzen (German Edition)
Autoren: Alisha Bionda
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ONISHA
     
    Onisha hockte gelangweilt auf ihrem Fensterplatz und beobachtete
das rege Treiben in den angrenzenden Gärten unter sich. Aus jadegrünen
Augenschlitzen starrte sie auf die gepflegten Rasenflächen und Blumenbeete. Ihr
Blick verweilte an dem Kompostsilo und wanderte dann zu dem kunstvoll
angelegten Teich. Dort saß wie jeden Tag diese Katze, über die sich Onisha
immer maßlos ärgerte. Es war eine junge Herumtreiberin. Eine Regenrinnenkatze,
die nirgends zu Hause war. Deren rötliches Fell wild in alle Richtungen abstand.
Sie war unverschämt schlank und bewegte sich elegant und schnell. Und ihre
Augen leuchteten in einem Himmelsblau, das einen anzog und bannte, wenn man auf
ihren Blick traf.
    Das war Onisha jedoch nur dann möglich, wenn die Herumtreiberin
den Kopf hob und zu ihr hinaufblickte. Was sie auch regelmäßig und in einer so
herausfordernden Art tat, die Onisha deutlich zeigte, dass die fremde Katze
nicht gerade die beste Meinung von ihr hatte. Respektlos begegnete die
Punkerin, wie Onisha sie heimlich nannte, aber auch den anderen Katzen, die
sich in den Gärten tummelten. Sie zeigte nicht die geringste Spur Scheu oder
gar Ehrfurcht. Selbst dann nicht, wenn der kräftige Kater ihren Weg kreuzte,
der das Revier um den Garten herum für sich beanspruchte. Sie plusterte sich wie
ein statisch geladener Staubwedel auf, wenn der Macho auf vier Pfoten ihren Weg
kreuzte, und fauchte ihn feindselig an. Dabei wirkte sie nicht primitiv oder
heruntergekommen. Selbst dann nicht, wenn sie ihm die Mittelkralle zeigte. Sie
war allenfalls selbstbewusst und beeindruckend mutig.
    Onisha gähnte und streckte vorsichtig eine Pfote gegen die
Fensterscheibe. Da traf sie der Blick der Streunerin. Doch ehe Onisha empört
aufmaunzen konnte, hatte sich die andere herumgedreht und die Rasenfläche um
den Teich verlassen. Onisha stieß einen verächtlichen Laut aus. Sie hatte nicht
vor, allzu viele Gedanken um die merkwürdige Katze zu verschwenden.
Wohlgefällig betrachtete sie stattdessen ihr gepflegtes Fell. Dann hob sie eine
Pfote graziös in die Luft und putzte sie ausdauernd. Wie ein kleiner
Waschlappen fuhr ihre raue Zunge über das pechschwarze Fell.
    Pah, dachte sie und verzog das Näschen. Was kümmert mich die
Punkerin? Warum soll ich mir über sie Gedanken machen? Wir haben NICHTS gemein.
    Onisha liebte die Mittagsstunden, wenn die vorwitzigen
Sonnenstrahlen ihr das Fell erhitzten, sie das Haus für sich alleine hatte und
niemand ihre Ruhe störte. Wenn sie die Herrscherin ihres kleinen Reiches war
und die weichen Berberteppiche nur ihr allein gehörten. Sie konnte sich keineswegs
beklagen. Sie führte ein schönes Leben. Immerhin war sie eine wohl behütete
Perserkatze, die als kleines dunkles Wollknäuel auf vier Pfoten zu dem Mann
gekommen war, mit dem sie jetzt das elegante Penthouse teilte. Sascha von
Hohenberg war ein Architekt mittleren Alters. Ein schlanker, kultivierter Mann,
intelligent und ehrgeizig. Onishas Beziehung zu ihm war eng. Beinahe
menschlich. Sie entsprach nicht dem kätzischen Ursprung ihrer Seele. Immerhin
war sie so wie ihre Artgenossen eine Einzelgängerin. Rudelverhalten war ihr
fremd. Das war einer der Gründe, warum sie Hunde verächtlich anfauchte. Sie
wollte sich nicht domestizieren lassen. Aber wenn sie ehrlich zu sich selbst
war, gestand sie sich ein, dass ein Eckpfeiler ihres Charakters die Fähigkeit
war, sich anzupassen. Und Onishas enge Beziehung zu Sascha von Hohenberg
überschritt diese unsichtbare Grenze bereits. Sie fühlte sich in seiner Nähe
wohl. Und er in ihrer. Wenn er sie streichelte, belohnte sie ihn mit lautem
Schnurren.
    Onisha genoss seine Gunst und den liebevollen Tonfall seiner
Stimme, wenn er mit ihr sprach. Sie hatte ihn zu ihrem Menschen
auserkoren. Er besaß nicht nur Verstand, sondern auch Einfühlungsgabe und war
dabei äußerst tolerant. So übersah er wohlwollend die Schrammen, die ihre
Krallen auf dem feinen Leder der neuen Couch hinterließen, oder ihre dunklen
Haare auf seinem Kopfkissen. Übersah, wenn sie ihre Zeichen der Missbilligung
in Form kleiner Pfützen auf dem Teppich hinterließ, wenn er geschäftlich
verreist war und das Hausmädchen sie versorgte. Aber das Leben mit ihm hatte
einen weiteren positiven Aspekt. Onishas Fressnapf war mit Glück bringender
Pünktlichkeit gefüllt. Und zwar mit erlesenen Happen. Immer wohl temperiert,
wie es ihr empfindlicher Magen verlangte. Mäulchenwarm, wie Sascha von
Hohenberg immer lachend betonte.
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