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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland
Autoren: Edward Rutherfurd
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so leicht nicht
vergaß. Umso weniger, als er in seiner Jugend in einem Kampf sein linkes Auge
eingebüßt hatte; das andere spähte und blinzelte bedrohlich in die Welt. Die Leute
nannten ihn hinter seinem Rücken Balar – nach dem bösen einäugigen König der
Fomorier, des berühmten sagenhaften Stammes hässlicher Riesen was er aber sehr
wohl wusste. Ja, es amüsierte ihn sogar. Sie mochten ihn vielleicht nicht
lieben, aber sie fürchteten ihn. Das hatte durchaus seine Vorteile.
    Sie
hatten auch allen Grund, ihn zu fürchten. Goibniu war ein wichtiger Mann. Als
einer der berühmtesten Meister seiner Kunst genoss er einen Status, der dem
eines Adligen gleichkam. Obwohl er als Schmied bekannt war – und niemand auf
der Insel konnte bessere Waffen aus Eisen schmieden als er –, gehörte auch das
Bearbeiten von Edelmetallen zu seinem Handwerk. Was Goibniu zu einem reichen
Mann gemacht hatte, waren nämlich die hohen Preise, die die Großen der Insel
für seinen Goldschmuck zahlten. Selbst der Hochkönig pflegte ihn zu seinen
Festbanketten zu laden. Aber Goibnius wahre Bedeutung lag in seinem Verstand,
der um keine List verlegen war. Die größten Häuptlinge, ja selbst die weisen
und mächtigen Druiden, pflegten seinen Rat zu suchen. »Goibniu ist ein tief
blickender Geist«, pflegten sie anerkennend zu sagen, bevor sie heimlich
hinzufügten: »Mach ihn dir nur ja nie zum Feind.«
    Direkt
hinter ihm ragte der größte der riesigen, kreisrunden Grabhügel auf, die sich
auf der Hügelkette reihten. Einen solchen Hügel nannten die Inselbewohner einen sid – was sie wie »shii« aussprachen.
    Es
war klar, dass der sid seit den früheren
Zeiten stark verfallen war. Seine zylinderförmige Seitenwand war eingefallen
oder, wie an vielen anderen Orten, ringsum unter einer Rasenböschung
verschwunden. Statt eines Zylinderrunds mit einem gewölbten Dach glich er nun
eher einem flachen Erdhügel mit mehreren Eingängen. Auf seiner Südseite war die
Quarzverkleidung, die einst in der Sonne gefunkelt hatte, zum großen Teil
herabgefallen, so dass vor dem einstigen Zugang nun ein kleiner Erdrutsch aus
blassen, metallisch schimmernden Steinen lag. Goibniu wandte sich um und
betrachtete den sid.
    Da
drinnen hatten die Tuatha De Danann gelebt. In diesem Sid wohnte der Dagda,
der freundliche Herrscher über die Sonne; aber alle Hügel, von denen die Insel
übersät war, waren Eingänge in ihre Anderswelt. Jeder kannte ihre Geschichte.
Erst war ein, dann noch ein Stamm auf die Insel gekommen. Götter, Riesen,
Sklaven – ihre Figuren schwebten wie Nebelwolken über der Landschaft. Aber die
ruhmreichste von allen war die göttliche Rasse der Göttin Anu oder Danu, der
Göttin des Reichtums und der Flüsse, gewesen: die Tuatha De Danann. Krieger und
Jäger, Dichter und Handwerker – sie waren, wie manche behaupteten, auf den
Wolken reitend auf der Insel gelandet. Ihre Zeit war ein goldenes Zeitalter
gewesen. Die Tuatha De Danann waren das Volk gewesen, das die heute lebenden
Stämme, die Söhne des Mil, auf der Insel vorgefunden hatte, als sie dort
landeten. Und eine von ihnen, die Göttin Eriu, war es gewesen, die den Söhnen
des Mil oder Milesiern verheißen hatte, dass sie, wenn sie dem Land ihren Namen
gaben, auf ewig auf der Insel leben würden. Das war nun lange her. Niemand
wusste mit Sicherheit zu sagen, wie lange genau. Es war zu großen Schlachten
gekommen, so viel war sicher. Und dann hatten sich die Tuatha De Danann von dem
Land der Lebenden unter die Erde zurückgezogen. Und dort verweilten sie noch
immer, unter Hügeln, unter Seen oder weit weg jenseits des Meeres auf den
sagenhaften Inseln des Westens, und feierten in ihren strahlenden Hallen. So
lautete die Geschichte.
    Aber
Goibniu hatte seine Zweifel. Er konnte sehen, dass diese »Feenhügel«, wie man
sie auch nannte, von Menschenhand geschaffen waren; in Wirklichkeit dürfte sich
ihre Konstruktion also nicht allzu sehr von den Erd– und Steinbauten
unterschieden haben, wie sie die Menschen heute errichteten. Aber wenn es hieß,
dass sich die Tuatha De Danann unter sie zurückgezogen hätten, dann stammten
sie wahrscheinlich aus jener früheren Zeit. Wurden sie also tatsächlich von den
Tuatha De Danann erbaut? So könnte es durchaus gewesen sein, vermutete er.
Egal, ob eine göttliche Rasse oder nicht, so fand er, waren sie immer noch
Menschen gewesen. Und doch blieb, selbst wenn dies zutreffen sollte, eine Sache
nach wie vor rätselhaft: Jedes Mal, wenn er die
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