Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin
Autoren: Helena Marten
Vom Netzwerk:
das Zimmer betrat.
    Überschwänglich begrüßte sie zunächst Charlotte Winkler, die dicht hinter ihrem Bruder Georg saß, um ihm über die Schultern in die Karten zu sehen. Alles an Charlotte war strahlend und sinnlich. Wie jedes Mal, wenn sie die Freundin länger nicht gesehen hatte, war Friederike überwältigt von ihrer Anziehungskraft. Charlotte hatte blitzende, sehr lebendige Augen und glänzende goldene Haare. Sie war ein bisschen üppiger, als es der Mode entsprach, egal wie eng sie ihr Korsett auch schnürte. Aber die Männerwelt schien das nicht weiter zu stören - Charlotte
besaß eine enorme Wirkung auf das andere Geschlecht. Friederike fühlte sich oft unscheinbar neben ihr, fast als existierte sie gar nicht.
    Gerade flüsterte die Freundin Georg etwas ins Ohr, woraufhin dieser in schallendes Gelächter ausbrach. In katzenhafter Anmut zog Charlotte sich in ihren Sessel zurück, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Ihre Ohrringe schaukelten kokett hin und her.
    »Wir wollen auch lachen!«, rief Sophie Thalheimer, Friederikes und Georgs dreizehnjährige Cousine, die Tochter von Tante Amalie und Onkel Gustav. Sophie hatte von ihrer überaus attraktiven Mutter nur die glänzenden dunklen Locken geerbt, ansonsten kam sie eher auf ihren Vater, der Friederike mit seinen spitzen Ohren und dem gedrungenen Oberkörper schon immer an einen Terrier erinnert hatte. Aber Sophie war, kaum den Kinderschuhen entwachsen, bereits vertraut damit, das Beste aus sich zu machen. Sie war so gepflegt und so bemüht zu gefallen, dass man kaum bemerkte, wie wenig Liebreiz sie eigentlich besaß. Für ihr Alter war sie erstaunlich tief dekolletiert, und ihre winzigen Füße steckten in über und über bestickten Pantöffelchen. Nur ihre Stimme war noch ganz mädchenhaft.
    Die Runde um den Kartentisch wurde vervollständigt durch Caspar Ebersberg, der als Modelleur in der Porzellanmanufaktur arbeitete. Er war der uneheliche Sohn eines Barons und einer Bäckerstochter aus Dresden. Friederike war ihm erstmals vor zwei Jahren begegnet, bei einem Ball, den ihre Tante Amalie anlässlich ihres zwanzigsten Hochzeitstages gegeben hatte. Sie hatte für den glutäugigen Beau mit dem dunklen Teint auf Anhieb eine kleine, ihr selbst unerklärliche Schwäche entwickelt. Dabei wusste sie instinktiv, dass sie sich vor dieser Art Männer besser in Acht nehmen sollte. Doch immer wieder war sie bei ihren sporadischen Begegnungen auf sein charmantes Getändel hereingefallen und hatte sich jedes Mal gewundert, dass darauf nichts weiter gefolgt war. Ich darf sein Gerede einfach nicht
ernst nehmen, redete sie sich wieder einmal gut zu. Noch einfacher wäre es allerdings gewesen, wenn sie ihn erst gar nicht beachtet hätte, aber das wäre unhöflich und zudem höchst verräterisch gewesen.
    Auch jetzt hatte Caspar Ebersberg sie zur Begrüßung wieder angestrahlt, als gäbe es nichts in seinem Leben, das ihm eine solche Freude bereiten könnte wie ihr Anblick. Er war groß und stattlich, und seine schwarzen, dichten Augenbrauen verliehen seinem Aussehen etwas Grimmiges. Doch wenn er lächelte, sah er plötzlich sehr gewinnend aus.
    »Wie schön Sie heute Abend sind, bezaubernde Freundin!«
    Friederike senkte die Augen und lächelte verlegen. Wie dumm, dass sie keine schlagfertige Antwort parat hatte! Zum Glück hatte sie genug weiße Schminke aufgetragen, sonst hätte er vielleicht bemerkt, wie ihr das Blut in die Wangen geschossen war. Zur Sicherheit schob sie ihren Fächer vors Gesicht.
    Caspar war aufgestanden, um ihr die Hand zu küssen. Er sah ihr tief in die Augen, als er sich über ihre Rechte beugte.
    »Setzen Sie sich zu mir, Friederike, so wie Fräulein Charlotte bei Ihrem Bruder sitzt. Sonst ist er im Vorteil, weil nur er von einer schönen Frau unterstützt wird.«
    »Von zwei schönen Frauen, lieber Caspar! Du vergisst, dass Sophie kein Kind mehr ist - beileibe nicht!«, schaltete sich ihr Bruder ein.
    Er warf seiner Cousine einen Blick zu, der selbst einen Eisberg zum Schmelzen gebracht hätte. Kein Wunder, dass die Kleine ihn anhimmelt, dachte Friederike. Ihr gegenüber war Georg weniger zuvorkommend. »Setz dich, Friederike!«, hatte er sie in ruppigem Tonfall aufgefordert. Um im nächsten Augenblick, als wäre nichts gewesen, mit neutraler Stimme fortzufahren:
    »Ich gewinne nämlich gerade, und Caspar will nur ablenken … Lasst uns weitermachen, meine Damen«, wandte er sich an die beiden Frauen.

    »Ja, nehmen Sie Platz,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher