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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin
Autoren: Helena Marten
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schräg gegenüber, zu ihrer Rechten hatte Friedrich Everding Platz genommen, ein Autor von Konrad Simons. Dieser war Ingenieur, und sein Buch über Wasserbautechnik hatte sich auf der Michaelismesse in Leipzig so gut verkauft, dass der Vater schon zweimal hatte nachdrucken müssen.
    Sie wird ihn hoffentlich nicht dazu bringen, eine Fontäne in unserem Garten anzulegen, schoss es Friederike durch den Kopf, als sie die Mutter ins Gespräch mit dem Wasserbauingenieur vertieft sah. Wenn die das in Potsdam machen, ist das ja schön und gut, aber hier bei uns würde es wohl nur lächerlich wirken …
    Die Gruppe am unteren Tischende lauschte Professor Mehler, der an der Fürsten- und Landesschule Sankt Afra Mathematik lehrte. Der Professor war ein verhuschtes Genie und lispelte ein wenig. Er unterhielt seine Tischnachbarn mit einem Rätsel.
    »Wenn Sie bedenken, wie die Beziehung zwischen der Kante
eines Würfels und der eines zweiten Würfels mit doppeltem Volumen ist …«, hörte Friederike ihn sagen.
    Dann aber wurde das Gespräch am anderen Ende des Tisches so lebhaft, dass sie den Professor nicht mehr verstand und die Auflösung verpasste. Dort saß ihr Vater mit Kommerzienrat Helbig von der Porzellanmanufaktur, Ratsherrn Hofmeister, der Frau Rat, die wohlklingende Gedichte auf Französisch schrieb, und Henriette Hansen. Helbig verbreitete schlechte Stimmung.
    »Die Pompadour kümmert sich persönlich um die Manufaktur in Vincennes. Wie sollen wir dagegen ankommen? Alles, was die Dame macht, wird sofort überall imitiert. Sie bestimmt, was Mode ist. Sie hat Boucher geholt, der ihr Lieblingsmaler ist und die Fabrique berät. Und sie haben Hellot. Der ist ein Genie. Er mischt die schönsten Farben zusammen, weiß der Teufel, wie er dieses Leuchten erzeugt. Wie man hört, ist er einem Blau auf der Spur, von dem wir hier nur träumen können«, schimpfte er.
    »Gegen Meißen werden sie schon nicht ankommen. Ihr seid doch immer noch am Expandieren, wenn ich das richtig sehe. Jedes Jahr werden mehr Leute eingestellt, oder etwa nicht?«, versuchte Hofmeister zu beschwichtigen.
    »Und wir haben Kaendler und Höroldt! Den besten Modellmeister und den besten Porzellanmaler.«
    Auch Konrad Simons verstand nicht, warum der Kommerzienrat ein so düsteres Bild zeichnete.
    »Ach, Kaendler und Höroldt! Die beiden können sich auf den Tod nicht ausstehen. Seit Jahren reden sie nicht miteinander! Sie mögen Genies sein, aber sie sind auch extrem schwierig. Vor allem Höroldt. Ständig laufen ihm die Maler davon. Und wo gehen sie hin? Natürlich zu einer der anderen Manufakturen! Wir bilden die Leute aus und versorgen dann die Konkurrenz mit ihnen. Auch die Modelleure laufen uns weg, immerhin nicht ganz so oft. Natürlich werden sie in Wien sofort mit Kusshand genommen. Aber über Wien oder auch Chelsea und Bow mache ich mir nicht solche Sorgen wie über Vincennes, wo
die Pompadour ihre Finger im Spiel hat. Der König macht ja auch nur, was sie will, dieses Teufelsweib …« Er kräuselte missmutig die Nase. »Wenn der alte August noch König von Sachsen wäre, dann würde ich ja nichts sagen! Aber so bleibt uns niemand anders als Graf Brühl. Sie wissen ja, dass der Premierminister ein leidenschaftlicher Porzellansammler ist … Unser jetziger König interessiert sich doch nur für die Oper und die Jagd. Und vielleicht ein bisschen für Kunst. Von Porzellan hat er keine Ahnung. Und es interessiert ihn auch nicht im Entferntesten! Höchst, Berlin, Nymphenburg, Fürstenberg - lauter Namen, die einen das Fürchten lehren sollten! Und der König? Steckt den Kopf in den Sand. Wir haben dort natürlich überall unsere Leute, die uns über die jeweiligen Entwicklungen auf dem Laufenden halten«, erklärte er eilfertig, als hätte jemand seine strategische Weitsicht in Frage gestellt. »So wissen wir zum Beispiel: Auch der preußische König will unbedingt eigenes Porzellan herstellen. Aber noch sind sie nicht so weit, zum Glück! Selbst Höchst hat noch Probleme: Adam Friedrich von Löwenfinck, der natürlich aus Meißen stammt, hat zu viel versprochen und war nicht in der Lage, echtes Porzellan zu produzieren. Jetzt sind Ringler und Benckgraff dort am Zug, die wissen, wie’s geht. Sie haben das Arkanum aus Wien mit an den Main genommen. Während unsere Marktanteile in Paris stetig sinken. Dort kauft man jetzt heimisches Porzellan. Bald macht jeder sein eigenes Zeug, und wir können sehen, wo wir bleiben! Egal, wie sehr man das Arkanum
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