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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin
Autoren: Helena Marten
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Saiten einer Laute oder Gambe griffen. Es gab mehrere Spiegel mit verschnörkelten Rahmen, und in der Ecke verströmte ein Ofen aus Delfter Kacheln eine gemütliche Wärme. Nur die Salons, in denen die Mutter ihre Gäste empfing, waren modern und prächtig eingerichtet; sogar die Fenster hatte sie vergrößern lassen, damit mehr Licht in die Räume eindringen konnte. In den anderen Zimmern befanden sich noch immer die schweren, dunklen Möbel von früher. Die riesigen Eichentruhen, die mit pompösen Schnitzereien versehenen Schränke, die schon Generationen vor ihnen benutzt hatten. Die Decke des Grünen Salons war mit Stuck verziert. Aber als die Mutter einen Freskenmaler aus Italien hatte kommen lassen wollen, war ein Streit zwischen den Eltern entbrannt. Friederike konnte sich noch gut erinnern, es war um Geld gegangen. Aber es war dem Vater auch daran gelegen, dass seine Frau sich nicht zum Gespött machte. »Wann werden Sie uns eine künstliche Grotte anlegen lassen, Madame?«, hatte er gescherzt. »Werden Eure Königliche Hoheit uns demnächst also auf die Hirschjagd einladen?«, hatte er sie ein anderes Mal aufgezogen.

    »Komm zu uns, Friederike!«, riss Frau Simons sie aus ihren Gedanken.
    Fast unwillig blickte Friederike auf, um sich wenige Sekunden später bewundernd einzugestehen, dass ihre Mutter in dem dämmerigen Kerzenlicht in der Tat mehr wie ihre Schwester als wie ihre Erzeugerin aussah. Die weiße Schminke und die grau gepuderten Haare, die alle Frauen gleich welcher Generation trugen, verbargen geschickt die Spuren des Alters. Sie verspürte dennoch keine Lust, sich zu ihrer Mutter zu setzen. Im Nebenraum hatte sie Charlotte entdeckt. Georg saß dort mit seinen Freunden am Spieltisch, und die Freundin schaute zu, wie sie Karten spielten. Bei dem Mann zu ihrer Rechten schien es sich ziemlich eindeutig um Caspar Ebersberg zu handeln.
    »Lass mich dir Henriette Hansen aus Hamburg vorstellen, Friederike«, vernahm sie die leicht ungeduldige Stimme der Mutter, »und ihren Bruder Per Hansen. Sie sind auf der Durchreise nach Dresden, wo Herr Hansen ein neues Kontor aufmachen will.«
    Constanze Simons deutete auf ihre beiden Tischnachbarn.
    Friederike hatte das Gefühl, selten weniger elegante und weltmännische Gäste in den Räumen ihrer Mutter gesichtet zu haben. Was nur in sie gefahren war, dass sie so viel Aufhebens um diese Leute machte?
    »Meine Tochter Friederike«, fügte Constanze Simons an die Hansens gewandt hinzu.
    Das Hamburger Geschwisterpaar wirkte außerordentlich erfreut, ihre Bekanntschaft zu machen, jedenfalls hatte Friederike nicht sehr oft erlebt, dass sie im Salon ihrer Mutter derart euphorisch begrüßt wurde. Per Hansen war etwa dreißig Jahre alt und hatte ein beeindruckend schwammiges Gesicht. Seine Konturlosigkeit war das Augenfälligste an ihm. Seine ganze Gestalt schien auseinanderzulaufen. Er war nicht dick, stellte sie fest, sondern nur unförmig. Sein Teint hatte eine rötliche Färbung. Seine Perücke und auch die Kleidung und die Schnallenschuhe
waren zwar sicher teuer gewesen, dennoch vermochten sie nicht, dem Mann darin eine Form zu verleihen. Friederike fühlte sich bei seinem Anblick an die gemütlichen rotgesichtigen Bürger auf alten holländischen Bildern erinnert, die gerade ein großes Stück Schinken verspeisten.
    Auch Henriette Hansen war nicht gerade eine Schönheit. Sie wirkte eher unauffällig, untersetzt und ein wenig steif. Für Friederike zählte sie zu der Sorte Menschen, die man nicht wiedererkannte, wenn man ihnen ein zweites Mal begegnete, die sich selbst aber immer an einen erinnerten. Sie hatte schon ein paarmal die peinliche Erfahrung machen müssen, dass ihr bei den Festivitäten der Mutter jemand freudig entgegengetreten war, der offenbar ganz genau wusste, wer sie war, während sie sich an das Gesicht des anderen partout nicht erinnern konnte, geschweige denn, dass sie seinen Namen parat gehabt hätte. Hastig entschuldigte sie sich bei ihrer Mutter und den Hansens und versprach, wiederzukommen, sobald sie ihre Begrüßungsrunde hinter sich gebracht hatte.
    In dem sogenannten Orientalischen Salon waren die Wände bunt gekachelt. Der Besucher sollte den Eindruck erhalten, er befände sich in einer Moschee. Die Sitzmöbel waren niedrig und mit unzähligen Kissen in sämtlichen Regenbogenfarben belegt. Dicke Kerzen in verschnörkelten Haltern waren überall im Raum verteilt. Friederike meinte sogar, einen exotisch-fremden Duft wahrzunehmen, als sie
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