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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin
Autoren: Helena Marten
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jungen Mädchen zu, das behutsam das kleine silberne Kaffeetablett zwischen den Schminktöpfchen und Tiegeln auf dem Toilettentisch platzierte.
    Die gesamte Familie Simons war der Kaffeesucht erlegen. Bevor sie morgens aufstand, ließ sich Friederike als Erstes eine Tasse Kaffee ans Bett bringen. Die Kanne, die Zuckerdose, den Sahnegießer, die Tasse, die Untertasse: Sie hatte alles selbst bemalt. Es war eine ihrer ersten gelungenen Arbeiten gewesen. Bunte exotische Vögelchen flatterten auf dem Geschirr herum. Zarte Zweige bewegten sich im Wind. Sie war sehr stolz auf dieses Geschirr. Lange genug hatte sie in der Bibliothek gesessen und die Vögel aus wissenschaftlichen Werken und Reiseberichten von fernen Ländern abgemalt.
    »Au!« Fast hätte sie die Tasse fallen lassen, als die Magd ihr mit dem Kamm durch die Haare fuhr. Sie hatte gerade den Kaffee von der Tasse in die Untertasse gießen wollen, aus der sie ihn dann getrunken hätte.
    »Eigentlich müssten wir Ihr Haar noch waschen, Mademoiselle«, seufzte Lilli. »Was haben Sie bloß angestellt, dass es schon wieder so verfilzt ist?«
    Friederike lachte leise in sich hinein. Zum Glück, dachte sie, war ihre Mutter in den seltensten Fällen Zeugin der Wortgeplänkel zwischen Dienstherrin und Magd - sie hätte das vertrauliche Verhältnis auf keinen Fall gutgeheißen. Wie sie überhaupt immer wieder auf ihre vornehme Herkunft verwies und Standesunterschieden die größte Bedeutung beimaß. Plötzlich fiel ihr Georg wieder ein. Die Szene mit ihm war natürlich sehr unangenehm gewesen, sinnierte sie, während Lilli ihr künstliche Locken ins Haar steckte. Aber er würde es sicher längst schon wieder vergessen haben. Ihr Bruder war nicht nachtragend, und
sie war es auch nicht. Nachher würde ihr Disput vergessen sein. Dennoch sah sie dem Abend mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie hatte keine großen Erwartungen an das Ereignis. Es würde alles so sein wie immer. Die feine Gesellschaft von Meißen würde sich einfinden und vielleicht auch ein Brieffreund ihres Vaters oder ein entfernter Verwandter der Mutter auf der Durchreise nach Dresden. Und - ihr Herz machte einen kleinen Sprung - ja, vielleicht oder ganz bestimmt auch Caspar!
    »Und jetzt die Luft anhalten, Mademoiselle!«
    Unter großer Anstrengung machte sich das Mädchen an Friederikes Korsett zu schaffen, das diese inzwischen gegen das unverstärkte Leibchen eingetauscht hatte. Mit beiden Händen zog und zerrte Lilli an den Schnüren, die das raffinierte Gebilde mit seinen Stäben aus Eisen und Fischbein zusammenhielten. Sie schnürt mich so eng, als würde sie mir die köstlichen Speisen, mit denen Mutter ihre Gäste bewirtet, nicht gönnen, dachte Friederike belustigt. Wie sollte all das gute Essen noch Platz in ihrem Bauch finden?
    Nachdem sie mit Lillis Hilfe auch Mieder, Rock und Contouche angelegt hatte, verteilte sie noch einmal kräftig Puder auf Gesicht und Haaren. Dann schlüpfte sie in ihre bestickten Seidenpantoffeln. Wegen des breiten Reifrocks musste sie seitwärts aus der Tür zu ihrem Zimmer hinausgehen. Sie schaffte es, ohne zu stolpern die Treppe hinunterzulaufen, und betrat nach einem letzten tiefen Atemzug endlich den Salon.
     
    Dort waren tatsächlich die meisten Gäste bereits versammelt. Die drei Repräsentierräume der Familie Simons lagen im ersten Stock des Wohnhauses und gingen nach vorne auf den Marktplatz hinaus. Alles war hell erleuchtet. Sämtliche Kerzen in den großen Kronleuchtern waren angezündet.
    Im Grünen Salon, der ganz nach der neuesten Mode eingerichtet war, saß Constanze Simons in der Mitte des Raumes mit
zwei Unbekannten um ein graziles langbeiniges Kirschbaumtischchen gruppiert. Ihre Haltung war wie immer tadellos; sie strahlte Anmut, aber auch eine gewisse Strenge aus.
    Friederike konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, obwohl sie doch genau wusste, dass die Mutter aus den Augenwinkeln jeden ihrer Schritte beobachtete. Wer die beiden Fremden wohl waren? Es war unglaublich, wie die Mutter es immer wieder schaffte, neue Kontakte aufzutun!
    Die zu dem Tischchen gehörigen Lehnsessel waren mit grüner Seide bespannt. Auch sie hatten zierlich geschwungene Beine, die man vergoldet hatte. Die Damasttapete mit dem kleinen Rankenmuster war in einem zart türkisfarbenen Ton gehalten und mit Gemälden behängt, die galante Szenen darstellten: Frauen in luftigen Kleidern mit Körben unter dem Arm blickten auf schöne junge Männer, die Schafe hüteten oder in die
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