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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin
Autoren: Helena Marten
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dem holzumrahmten Kristallglas sah, richtig interpretierte. Ihr Gesicht war vollkommen ebenmäßig. Wie modelliert. Ein Madonnengesicht, hatte ihr Vater einmal scherzhaft zu ihr gesagt. Eher Magdalena als Maria, hatte sie ihn im Stillen korrigiert. Etwas Herbes umwehte ihre Züge, kein Zweifel. Für ihren Geschmack hatten
ihre Wangenknochen jedoch genau den richtigen kühnen Bogen. Sie wollte kein Püppchen sein, lieber eine Amazone. Die Wangenknochen und auch die großen Augen mit den langen Wimpern hatte sie von der Mutter geerbt, an deren Gesicht sie zu ihrer heimlichen Genugtuung ablesen konnte, dass auch sie wohl im Alter nur wenig von ihrer strengen Anmut verlieren würde.
    Friederike löste die Nadeln, mit denen sie ihr langes, dunkles Haar eng an den Kopf gesteckt hatte. In sanften Wellen legte es sich auf ihre blassen Schultern und umschmeichelte ihr Gesicht. Meine Haut ist wie das Porzellan, das ich bemale, dachte sie, schimmernd und glatt. Sehr hell. Wenn nur diese Sommersprossen nicht wären! Sie hatte mehrere Tinkturen ausprobiert, die ihr der Apotheker empfohlen hatte, eigens für sie hergestellt, nach Rezepten, die man auch in Dresden und am französischen Hof benutzte. Geholfen hatte keine Einzige.
    Abgesehen von den Sommersprossen war da noch etwas anderes, das Friederike an ihrem neuen Gesicht nicht ganz überzeugte: Es schien ihr irgendwie banal zu sein. Etwas zu nichtssagend, so wie die Gesichter der kleinen Figuren, bevor sie ihnen mithilfe der Farben Ausdruck verlieh. Ein unbeschriebenes Blatt, wie man so sagte. Sie hatte nur mit Charlotte, ihrer besten Freundin, darüber gesprochen. »Hauptsache, schön«, hatte Charlotte gesagt, »banal, das interessiert doch keinen.« Sie hatte den Kopf geschüttelt und gelacht. Noch Tage später hatte Friederike darüber nachgegrübelt, was Charlotte an ihrem Gespräch wohl so lustig gefunden hatte.
    »Mademoiselle …«
    Das blaue Kleid über die ausgestreckten Arme drapiert, stand Lilli in der Türschwelle. Wie lange sie dort wohl schon gestanden und sie beobachtet hatte, überlegte Friederike. Egal, vor Lilli musste sie sich nicht verstecken.
    »Leg es hier über den Stuhl, und kämm mir erst mal die Haare, bist du so lieb? Und waschen sollte ich mich wohl auch noch«,
fügte sie lachend hinzu, als sie die roten Farbkleckse an ihrem Hals und auf dem rechten Unterarm entdeckte. »Holst du mir rasch warmes Wasser aus der Küche?«
    Andächtig betrachtete sie die blaue Contouche und den dazugehörigen Reifrock. Das Ensemble war dem derzeitigen Lieblingsgewand der Madame Pompadour nachempfunden, der Mätresse des französischen Königs. Der Dresdner Schneider, ein eitler Zeitgenosse angeblich Pariser Herkunft, hatte genau aufzählen können, wann sie es immer getragen hatte. Monsieur Baierle hatte das Mieder etwas weniger eng geschnitten, als es der Mode in Paris entsprach. Dafür war das Dekolleté ausgesprochen gewagt. Es zeigte gerade so viel von ihren Brüsten, dass Friederike sich noch wohlfühlte.
    »Mademoiselle, Sie müssen sich beeilen, die ersten Gäste sind bereits eingetroffen!«
    Atemlos wuchtete Lilli den schweren Wasserkrug auf die Marmorplatte des Toilettentischs, nachdem sie das kleine Keramikbecken in dem schmiedeeisernen Gestell nachgefüllt hatte.
    »Immer mit der Ruhe«, murmelte Friederike und tauchte langsam den weißen Waschlappen in das kühle Nass. Vorsichtig rieb sie sich damit über Gesicht und Arme, um sich dann mit einem Tuch trockenzutupfen. Anschließend nahm sie etwas weiße Schminke aus einem kleinen Töpfchen, die sie gleichmäßig auf ihrem Gesicht verteilte. Eine vornehme Blässe war das oberste Gebot der Mode. Zumindest kurzfristig würde sie mittels der Schminke ihre Sommersprossen übertünchen können. Sie griff zum Rougetiegel und verrieb etwas Rot auf ihren Wangenknochen, puderte sich anschließend das Gesicht ab und tupfte einige Tropfen Danse à Versailles auf Hals und Handgelenke. Das Parfum stammte aus Grasse und roch nach Vanille, Orangenblüten und Gewürzen. Einen Augenblick lang erwog sie, ein kleines schwarzes Schönheitspflaster auf ihr Dekolleté zu kleben, aber das erschien ihr dann doch zu gewagt, sodass sie sich für die linke Wange entschied.

    Sie hatte nicht mitbekommen, dass Lilli das Zimmer in der Zwischenzeit verlassen und wieder betreten hatte, freute sich nun aber umso mehr, als ihre Nase ihr verriet, dass die Magd frischen Kaffee für sie geholt hatte.
    »Was für ein Duft!«, lachte sie dem
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