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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin
Autoren: Helena Marten
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oder?«

    Sie hatte drohend klingen wollen, aber mehr als ein weinerliches Piepsen hatte sie nicht zustande gebracht.
    »So schlimm steht es?«
    Mit einem bedauernden Lächeln erhob sich Doktor Winter von seinem Stuhl.
    »Bring mir meinen Mantel und meinen Koffer, Lisbeth!«, wies er die Dienstmagd an, während er sich mit seiner großen Serviette den Mund abwischte.
    »Und du, meine Liebe, lass es dir noch gut schmecken!«, fügte er an seine Frau gewandt hinzu, die mit stoischer Miene das Fleisch auf ihrem Teller zersäbelte, als wären solche Vorfälle in einem Medizinerhaushalt an der Tagesordnung.
     
    C arl war noch immer nicht bei Bewusstsein, als Friederike und der Arzt das Bogenhausen’sche Anwesen erreichten.
    Mit einer stumpfen kleinen Schere schnitt Doktor Winter ihm das blutgetränkte Hemd vom Leib.
    »Er hat viel Blut verloren«, murmelte er vor sich hin, während er sorgfältig die Wunde reinigte.
    »Der Stich scheint tief zu sein …« Friederike starrte auf die klaffende Wunde zwischen Carls Schulterblättern.
    »Wie ist das denn eigentlich passiert?« Sie drehte sich zu Josef Kornfeld um, der nichts mehr von dem aufgeweckten Dandy aus dem Kaffeehaus an sich hatte, sondern einfach nur sehr jung und zu Tode erschrocken aussah.
    »Wir haben diesen Caspar Ebersberg im ›Schwanen‹ gefunden, und Carl hat ihm so richtig die Meinung gesagt. Ebersberg hatte wohl schon einiges getrunken und ist schimpfend und tobend auf ihn losgegangen.«
    Kornfelds Gesichtsausdruck wirkte so verstört, dass Friederike sich unwillkürlich fragte, was Caspar wohl alles über sie gesagt haben mochte. Anscheinend war sein Urteil so vernichtend gewesen, dass der Journalist nicht wagte, die Worte des Modelleurs vor den Umstehenden zu wiederholen.

    »Carl hat ihn gestoßen, sodass er zu Boden fiel, und sich zum Gehen umgewandt. Und plötzlich ist Ebersberg aufgesprungen, hat ihm von hinten das Messer in den Rücken gejagt und ist abgehauen. Carl konnte noch alleine auf sein Pferd steigen. Alles nicht so dramatisch, hat er gesagt. Aber irgendwann unterwegs hat er dann das Bewusstsein verloren.«
    »Dieses Schwein! Den werden wir kriegen!«, stieß Emanuel hervor.
    »Sie müssen das Feuer die Nacht über brennen lassen. Und dann sollten wir beten, dass die Wunde sich nicht entzündet.«
    Der Doktor schaute mit ernstem Gesicht in die Runde.
    »Mehr können wir im Moment leider nicht tun. Ich werde jetzt gehen, aber holen Sie mich, wann immer Sie es für nötig halten. Ich komme auf jeden Fall morgen früh wieder.«
    »Wird er gesund werden?«, wandte sich Friederike hoffnungsvoll an den Arzt.
    »Schwer zu sagen. Kommt darauf an, wie gut die Wunde verheilt. Lassen Sie uns das Beste hoffen!«
    Der alte Mann sah skeptisch aus, während er seine Tasche zusammenpackte.
    »Hat er Schmerzen?«
    »Im Moment sicher nicht. Aber wenn er wieder zu sich kommt, wird ihm die tiefe Wunde garantiert Qualen bereiten.«
    »Was ist mit Ihnen?«, fragte Emanuel den Journalisten. »Die Tore zur Judengasse sind bestimmt schon geschlossen? Wo wollen Sie dann übernachten?«
    »Er bleibt natürlich bei uns!«, schaltete sich Friederike ein.
    »Ich wäre Ihnen sehr verbunden.« Dankbar lächelte Kornfeld ihr zu. »Sich nach der Sperrstunde noch in der Stadt blicken zu lassen steht für unsereinen nämlich unter Strafe.«
    Entgeistert musterte Emanuel erst den Journalisten und dann seine Schwägerin.
    »Ich lasse das Gästezimmer für Sie herrichten«, riss er sich zusammen. »Aber erzählen Sie bloß niemandem davon!«

    Emanuel begleitete den Arzt die Treppe hinunter, während Margarethe und Luise Josef Kornfeld unter ihre Fittiche nahmen.
    Erst jetzt bemerkte Friederike, dass Agnes schon die ganze Zeit mit warmen Pantoffeln und Wollstrümpfen in der Hand an der Tür gewartet hatte. Sie blickte auf ihren nassen linken Strumpf und sah, dass ihr Rock der Länge nach eingerissen war. Auf einmal war ihr trotz des Feuers fürchterlich kalt. Sie winkte dem Mädchen, sie in ihre Bibliothek zu begleiten, und rollte die nassen Strümpfe herunter.
    »Was haben Sie nur gemacht, gnädige Frau?«, ereiferte sich Agnes und rieb ihr die blau gefrorenen Füße warm. »Einfach so bei dieser Kälte loszureiten, ohne sich warm anzuziehen! Hoffentlich werden Sie nicht krank. Man kann sich auch den Tod holen von so was!«
    Nur Gustav stand noch an Carls Bett und blickte auf seinen Herrn hinunter, als Friederike, den Ledersessel aus der Bibliothek vor sich herschiebend, ins
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