Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin
Autoren: Helena Marten
Vom Netzwerk:
ihren Kufen auf. Eine große Pelzmütze bedeckte ihr blondes Haar. Lachend fiel sie einem gut aussehenden Kavalier in die Arme.
    Luise verlor nun die Geduld und machte sich von Friederike los.
    »Versuch es mal einen Moment alleine!«, überließ sie sie ihrem Schicksal. Eilig glitt sie hinter Mathilde her.
    Hilflos stand Friederike auf dem Eis, das wie ein glatter, tiefschwarzer Spiegel vor ihr lag. Als wäre der Fluss bis zu seinem Grund gefroren, so undurchdringlich kam er ihr in seiner dunklen, harten Materie vor. Sie blickte hinüber zum Sachsenhäuser Ufer. Wie sie wohl je wieder von dieser heimtückischen Eisfläche herunterkam? Warum hatte sie sich bloß auf Emanuels Vorschlag
eingelassen? Wo war er überhaupt - lockte sie erst in die Gefahr und ließ sie dann allein in ihrem Unglück sitzen!
    Ein harter Stoß traf sie von hinten. Prompt verlor sie das Gleichgewicht und stürzte zu Boden.
    »O Verzeihung!«, flötete eine helle Stimme in ihrem Rücken, die sich rasch wieder entfernte.
    Auf allen vieren hockte sie auf dem Eis und wusste nicht, wie sie aufstehen sollte, ohne erneut hinzufallen. Die empfindliche Stelle an ihrem linken Knie, die noch von dem Überfall im Hanauer Wald herrührte, pochte unangenehm.
    Mit einer geschickten Drehung kam Luise neben ihr zum Stehen und griff ihr unter die Arme.
    »Wie ungeschickt von Mathilde! Und wie rücksichtslos, nicht einmal anzuhalten!« Sie schien ehrlich empört zu sein. »Hast du dir wehgetan?«
    »Es geht schon wieder«, erwiderte Friederike tapfer, als sie wieder aufrecht auf ihren Kufen stand, und ignorierte den Schmerz in ihrem Bein.
    »Dann drehe ich noch schnell ein paar Runden. Und dann sind meine Füße auch so kalt, dass ich aufhören muss.«
    Mit weit ausholenden, gleitenden Bewegungen stieß Luise sich ab und verschwand hinter den Brückenpfeilern.
    Als Friederike ihre Blicke erneut zum Ufer schweifen ließ, um die Entfernung zum Festland abzumessen, sah sie auf der Sachsenhäuser Seite einen Reiter auf einem Rappen sitzen, der sie zu beobachten schien.
    Das war doch … ja, das war Carl auf seinem Hengst!
    Sie legte die Hand an die Augen, um sie vor der Sonne zu schützen. War das tatsächlich Carl? Sie verengte ihre Lider zu einem schmalen Schlitz. Ja, kein Zweifel, das war er.
    Ihr erster Reflex war, so zu tun, als würde sie ihn nicht erkennen. Obwohl sie seit Wochen auf diesen Moment gewartet hatte, war ihr nun gar nicht wohl bei dem Gedanken an die bevorstehende Aussprache mit ihm. Dabei hatte sie sich genau zurechtgelegt,
was sie ihm sagen wollte. Vor lauter schlechtem Gewissen hätte sie ihn am liebsten ignoriert. Aber wie sehr hätte sie sich später vor sich selbst geschämt, wenn sie sich aus purer Feigheit jetzt einfach abgewendet hätte! Nein, entschied sie schnell, sie musste mit Carl reden, je eher, desto besser.
    Mit unsicheren Trippelschritten wankte sie langsam auf den Reiter zu. Je näher sie zum Ufer kam, desto unebener war das Eis an zahlreichen Stellen. Äste, die im Wasser getrieben waren, ragten hier und da aus der weiß bestäubten Oberfläche hervor. Einmal knackte es so laut unter ihren Füßen, als wollte sich gleich ein Loch vor ihr auftun und sie verschlingen. Stur hielt sie die Augen auf den Boden gerichtet. Nur ab und zu sah sie auf, um sich zu vergewissern, dass der Reiter auf dem Rappen noch immer da war.
    Endlich war sie nah genug am Ufer, um seine Gesichtszüge zu erkennen. Seine Miene wirkte wie versteinert. Sie hob den Arm, um ihm zuzuwinken, was sie prompt aus der Balance brachte. Mühsam stellte sie ihr Gleichgewicht wieder her.
    Carl, der vom Pferd abgestiegen war, rutschte vorsichtig den vereisten Abhang zu ihr herunter aufs Eis.
    Stumm standen sie einander gegenüber.
    »Es tut mir so leid, Carl!«, stammelte Friederike schließlich.
    Über ihre Schulter blickte er zu den kreischenden Jungen hinüber, deren Scheibe auf einer der kleinen Maininseln gelandet und nun nicht mehr auffindbar war. Er blinzelte im Gegenlicht.
    »Wer sind alle diese Männer, Friederike?«, fragte er mit abgewandtem Gesicht. »Was hast du mit ihnen zu schaffen? Was bedeuten sie dir? Und warum wolltest du mich heiraten? Das wolltest du doch, oder?« Er zuckte resigniert mit den Achseln. »Das passt alles überhaupt nicht zusammen. Es kommt mir so vor, als würde ich dich gar nicht kennen.«
    »Es gibt nur einen anderen Mann, Carl«, brach die Wahrheit plötzlich aus ihr heraus. »Er heißt Giovanni, und ich dachte, ich würde ihn nie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher