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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin
Autoren: Helena Marten
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Grund geben, warum Carl ihn unbedingt zur Rede stellen will … Lass uns jetzt nach Hause fahren! Die anderen warten schon.«

    Längst hatten die Flammen Giovannis Brief verschlungen. Friederike hielt den Vergil-Band noch immer auf den Knien und sah zu, wie die Holzscheite in sich zusammenfielen. Immer wieder ertönte ein lautes Knacken, wenn einer der kleineren Zweige vom Feuer erfasst wurde.
    Draußen dunkelte es bereits. Bald würde zum Glück der Frühling kommen und mit ihm die Helligkeit.
    Carls widersprüchliche Reaktion hatte sie in Panik versetzt. Sie konnte sich nicht erklären, warum er einerseits so kühl reagiert hatte, aber andererseits sofort nach Höchst geeilt war, um sich Caspar vorzuknöpfen. So kannte sie ihn gar nicht - er war doch sonst so besonnen.

    Nach dem Mittagessen, als Ludwig endlich eingeschlafen war, hatte sie sich als Erstes die »Aeneis« geschnappt, die Seite mit dem Brief aufgeschlagen und das schon ganz zerlesene Papier ins Feuer geworfen. Sie würde Carl nicht enthüllen, wer Giovanni war und wo er sich aufhielt. Nachher würde er auch noch ihn zur Rede stellen wollen. Der Brief war das einzige Beweisstück, das ihn hätte verraten können.
    Von draußen ertönten aufgeregte Schreie. Friederike legte das Buch auf den Boden und lief zum Salon, um in den Hof hinunterzuschauen. In dem dämmerigen Licht erkannte sie zwei Reiter, von denen der eine wie ein nasser Sack über dem Widerrist seines Pferdes hing. Als Gustav dem Mann mit seiner Laterne ins Gesicht leuchtete, sah sie, dass es sich um Carl handelte.
    Seine Züge waren schmerzverzerrt. Dunkle Flecken hatten sich auf seinem Mantel ausgebreitet - Blut. Die Magd, die das Eis auf dem Ziehbrunnen mit einer langen Eisenstange hatte zerbrechen wollen, stieß einen gellenden Schrei aus.
    Friederike raffte ihre Röcke zusammen und flog die Treppenstufen hinunter. An der Hoftür stieß sie mit Emanuel zusammen.
    »Was ist passiert?«
    »Carl ist verletzt!«
    Hastig rannten sie über den Hof, wo Gustav und der zweite Reiter, in dem sie nun Josef Kornfeld, den jüdischen Journalisten, erkannte, den Verletzten vorsichtig vom Pferd hoben.
    »Carl?«
    Friederike beugte sich über ihren Mann. Aber Carl reagierte nicht. Als sie sich wieder aufrichtete, klebte Blut an ihrer Hand.
    »Er hat einen Messerstich abbekommen«, rief Kornfeld aufgeregt. »Vorsichtig, nicht am Rücken anfassen! Da ist die Wunde.«
    Ruhig und gefasst übernahm Emanuel nun das Kommando.
    »Hier rein! Bringt ihn in den Salon. Wir brauchen sofort einen Arzt.« Er musterte die Anwesenden mit scharfem Blick
und zeigte schließlich auf Agnes. »Du gehst zu Doktor Winter auf die Zeil. Du weißt doch, wo er wohnt, oder?«
    Die Zofe nickte und deutete einen Knicks an.
    »Sag ihm, es ist dringend! Sag ihm, dass mein Bruder durch einen Messerstich verletzt wurde und viel Blut verloren hat.«
    »Das mache ich!«, mischte sich Friederike ein.
    Bevor Agnes ins Haus eilen konnte, um ihren Mantel zu holen, hatte sie sich schon rittlings auf Carls Rappen geschwungen. Ungeduldig schob sie Rock und Unterkleid zur Seite, um die Zügel unter dem Stoffwust hervorzuwühlen.
    »Was machst du da? Bist du verrückt geworden?«
    Emanuel wollte ihr entgegentreten, um sie aufzuhalten, aber da hatte sie dem Rappen schon die Sporen gegeben und war zum Tor hinausgeprescht.
    »Das ist ja die Höhe!«, brüllte ein Betrunkener ihr nach und schüttelte drohend die Faust, als sie das Pferd in halsbrecherischem Tempo durch die enge Katharinenpforte jagte, wo der Mann Unterschlupf gesucht hatte. Sie duckte sich, um nicht mit dem Kopf an die Decke des Durchgangs zu stoßen.
    »Zum Teufel mit Ihnen!«, hörte sie den Mann hinter sich her brüllen, während sie in die Zeil einbog.
    Als sie endlich vor dem Haus des Arztes stand, hatte sie einen ihrer Pantoffel verloren und so steif gefrorene Hände, dass ihr die Zügel fast von selbst entglitten. Sie schob die Dienstmagd, die ihr mitteilen wollte, dass der Herr Doktor gerade zu Tisch sei und nicht gestört werden wolle, einfach zur Seite und stürmte immer dem Bratenduft nach ins Esszimmer.
    Verwundert schauten der Arzt und seine Frau zu ihr auf.
    »Bitte kommen Sie sofort mit, Doktor! Mein Mann ist schwer verwundet«, keuchte sie atemlos.
    »Kann man denn hier nie mal in Ruhe zu Ende essen?«, seufzte der Mann und schob resigniert seinen Teller zur Seite.
    »Nein, es ist dringend! Sie wollen doch wohl nicht schuld daran sein, wenn mein Mann stirbt,
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